Wanderer auf großer Fahrt: Visions of Atlantis kapern das Backstage

29.08.2019
Backstage München
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Visions Of Atlantis - mehr Fotos

Ziemlich graziöse Verrenkungen bekommt sie hin, die liebe Clémentine Delauney, wedelt ihre Mähne hin und her und erzählt zwischendurch lustige Geschichten von Seeungeheuern. Genau: Visions of Atlantis stellten im Backstage ihre neue Scheibe „Wanderers“ vor. Das mussten wir uns natürlich anschauen!

Nach entspannter Anreise und schlanker Parkmöglichkeit direkt vor der Halle marschieren wir direkt in Richtung gemütlichen Club, wo die Security nach Augenschein die Zuschauerschar zuteilt – in der gegenüberliegenden Halle gibt es wohl irgendein Event mit deutschen Sprechgesang, dessen Sympathisanten dann doch anders aussehen als wir. Im Club drängt man sich schon dicht an dicht, und auch wenn es draußen einigermaßen frisch ist, steckt die Hitze der vergangenen Tage noch innen fest.

Morlas Memoria - mehr Fotos

Das ficht aber die erste Attraktion des Abends nicht an: Morlas Memoria aus Dresden schlagen gleich ordentlich in die symphonische Metal-Kerbe, die heute Trumpf ist. Gesegnet mit mächtigem Sound und viel Humor in den Backen (als die Technik mal nicht klappt, feixt man: „In dieser kleinen Kiste befindet sich unser Miniatur-Orchester“), kommt die Formation um das Geschwisterpaar Leandra und Theo Johne bestens an. Die Mischung aus heftigen Riffs und Frau Johnes filigranem Gesang läuft bestens rein, wir freuen uns an Grunz-Attacken, „Hey“-Mitsingspielen und auch Querflöteneinlagen der Frontdame. Songs wie „Whatever you want“, „The Battle“ und auch der Titeltrack des Langeisens „Mine Of Pictures“ setzen Ausrufezeichen, die wir gerne nehmen. Ein gelungener Auftakt!

Elvellon - mehr Fotos

Da lassen sich natürlich auch Elvellon nicht lumpen und schalten gleich beim Opener den kollektiven Haar-Rotor ein. Noch einen Zacken heftiger und bombastischer kommen sie rüber, und Fronterin Nele Messerschmidt macht im feschen Lederwams inklusive elegantem Schuhwerk eine formidable Figur. „Das ist ja die Schwester der Flor!“, stellt Familienforscher Sebbes begeistert fest, und in der Tat ist die eine oder andere Geste der Nightwish-Heldin nicht ganz unähnlich. Musikalisch kommen wir in den Genuss von Material des Debuts „Until Dawn“, das im Rahmen einer crowdfunding-Kampagne aus der Taufe gehoben wurde. Nummern wie „Silence From The Deep“ oder auch der Titeltrack „Until Dawn“ krachen ordentlich ins Kontor, so dass auch diese gute halbe Stunde wie im Fluge vergeht. Wir müssen hier einmal konstatieren: Vorgruppen können eben manchmal doch etwas Gutes sein.

Aber jetzt wird ein lustiges Backdrop aufgezogen, auf dem ein Schiff den Ozean durchpflügt: das setzt den Ton des ganzen Abends, denn immerhin ist das hier eine Release-Show des neuen Visions of Atlantis-Opus „Wanderers“, das exakt morgen herauskommt. Gegen 21:30 entert dann die Formation aus Österreich, bei der kaum Österreicher tätig sind, die Bühne: mit „Release My Symphony“ steigen die Atlantiden ins Set ein, wobei gleich mehrere Dinge auffallen. Ad 1: das Gesangspaar, bestehend aus der lieben Clémentine (Frankreich) und Neuzugang Michele Guaitoli (Italien), kommt in launigen Kapuzen und wehenden Roben daher, wobei vor allem Frau Delauney für ein luftiges Beinkleid optiert hat. Ad 2: der Sound ist nicht gerade das, was man als druckvoll bezeichnen möchte. Das bessert sich allerdings flugs, so dass spätestens ab „Book Of Nature“ die Stimmung auf einen ordnungsgemäßen Pegel steigt. Das Stück geht massiv nach vorne los und zeigt, dass die symphonische Spielart nichts mit reinen Trällerelsen-Säuseleien zu tun haben muss. „Heroes Of The Dawn“ läuft ebenso gut rein, Frau Delauney wirft die Haare, kippt sich lasziv nach hinten wie eine Bodenturnerin und singt nebenbei so amtlich, wie wir das erwartet hatten – immerhin haben wir hier eine der Protagonistinnen des Allstar-Symphonic-Ensembles Exit Eden vor uns.



Live gehen die Nummern deutlich heftiger ab als auf Konserve – melodisch, harmonisch und mit Kante glänzt „Silent Mutiny“, und auch insgesamt ziehen sie die Seefahrer-Piraten-Leitmotivik in den Ansagen konsequent durch. Da macht es auch gar nichts, dass der gute Michele die Setlist nicht genau im Blick hat und „The Siren & The Sailor“ episch, aber zu früh ankündigt. Auch der Titeltrack des „Wanderers“-Albums kommt wunderbar an, so wie ohnehin auch die neuen Nummern begeistert abgefeiert werden. Weiter geht es mit Erzählungen über Reisen über die sieben Meere, Seemonster und allerlei Kroppzeug – „die haben ein paar Rollenspiele zu viel gespielt“, vermutet Soziologe Sebbo hier die Motivation. „A Journey To Remember“ wird gefolgt von einem wunderbaren „The Deep And The Dark“, an das sich ein bedächtiges, von Frau Delauney alleine vorgetragenes „Nothing Lasts Forever“ anschließt. Mit „Passing Dead End“ gibt es dann nochmal eine ruppigere Abfahrt, bevor dann „In And Out Of Love“ und ein spektakuläres „Return To Lemuria“ den Reigen beschließen. Besser kann man eine neue Scheibe nicht vorstellen – der Club jubelt, ich war froh um mein kurzes Beinkleid, wir springen ins nahestehende Batmobil und entschwinden. Und jetzt schauen wir gleich wieder ein Exit Eden-Video.

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