Brittney und die (grünen) Bogenschützen: wir spannen die Sehne mit Unleash the Archers, Striker und Seven Kingdoms
/21.02.2025 Backstage München
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Kanadischer Power Metal vom Feinsten, dazu noch eine fulminante neue Scheibe im Gepäck: wenn Brittney Slayes uns beehrt, da gilt das alte Fußball-Motto: da müssen wir dabei sein!
Entfesselt ist es in der Tat, das Interesse an den kanadischen Zeremonienmeistern: die Backstage Halle ist picke packe voll, komplett ausverkauft, wir fragen uns, warum das Ganze nicht im geräumigeren Werk gegenüber angesetzt ist, aber da treibt heute Abend schon jemand anders sein Unwesen. Wir quetschen uns also nach vorne, der versierte Bildmacher Sebbo wirft sich furchtlos in die Wogen (Fotograben gibt’s in der Halle üblicherweise nicht), und los geht die wilde Sause.
Denn auf der Bühne werkelt mit Seven Kingdoms (der Name ist selbstverfreilicht aus dem Roman „A Song Of Ice and Fire“ entlehnt, besser bekannt als Serien-Event Game of Thrones) schon eifrig ein heißer US-Export: die Formation aus Florida kredenzt eine gekonnte Mischung aus Melodic, Power und Thrash Metal, garniert von der achtbaren Sangesleistung von Sabrine Valentine (welch hübscher Name, fürwahr!), die im Glitzerfummel agiert und auch ansonsten eine ordentliche Frontdame abgibt. Das klingt manchmal ein wenig nach Blind Guardian, dann aber auch manchmal nach Journey und Bon Jovi – in jedem Falle laufen Nummern wie „Magic in the Mist“ oder auch „The Serpent and the Lion“ (wo im Video wohl die Hauptkombo des heutigen Abends mitmischt, so informiert uns Frau Valentine) gut rein. Dass man auch Humor hat, zeigt nicht zuletzt das Leibchen des Gitarrero Kevin Byrd, das eine Banane ziert, der eine Ente entsteigt. Was zweifelsohne eine ganz eigene Bedeutung haben mag, wie auch das durchgängige Cheeseburger-Thema, das in Form von entsprechenden Plüsch-Schlappen sogar an den Füßen der Sängerin stattfindet. Aha.
Bei der weiteren Zusammenstellung des Pakets gab man sich offenbar kostenbewusst (man hat wohl den gleichen Bus hierher gebucht), oder man möchte gegenüber einer Figur mit sagen wir mal eigenwilliger Einschätzung der Realität gegenüber unterstreichen, dass Kanada durchaus ein eigenes Land ist: mit Striker steht nun eine weitere Kombo aus der Region auf dem Programm, die eine durchaus launige Melange anrührt. Bunt sind sie anzusehen, die Gesellen, die mit Sonnenbrillen, grellen Hemden, Baseballkappen, mit Bandpatches verziertem Beinkleid, Neon-T-Shirt und Jeans-Hemd auch optisch das Flair der 80er heraufbeschwören. Soundtechnisch kommt die Chose rüber, als wenn Steel Panther eine ordentliche Jam Session mit Anthrax abfahren: immer leicht parodistisch angehaucht, feuern Striker ihre Nummern mit Gusto ins Rund, „The Best of the Best of the Best“ (noch genauer brauchen wirs nicht) setzt dabei den Ton für das ganze Set. „Heart of Lies“ und „Blood Magic“ sind die weiteren Ausrufezeichen, Shouter Dan Cleary schwingt sich standesgemäß stimmgewaltig durchs Geschehen, während Gitarrero Timothy Brown die Muckis spielen lässt und uns per Shirt informiert „Sucks 2 Suck“, was dann auch gleich songtechnisch serviert wird. Gitarrero Nummer 2 stellt Herr Cleary dann lyrisch vor als „The Vanilla Gorilla, the man with the golden dick – he has five children from six women!” Mit mehr Spaß in den Backen könnte auch ein Michael Starr seinen Saitenheld Satchel nicht anpreisen. Nach „Circle of Evil“ und der Ufo-Hymne „Phoenix Lights“ ist Feierabend, wir sind amüsiert und begeistert zugleich. Das kann man mal machen!
Nach einer kurzen Umbaupause sehen wir, dass man in Kanada doch auch auf deutsche Tugenden Rücksicht nimmt: auch wenn um 21:25 eigentlich alles hergerichtet wäre, drückt man den Startknopf keine Sekunde früher als 21:30. Ordnung muss schließlich sein hier. Zu den Klängen des Titeltracks vom aktuellen Album springen sie dann hervor, die Bogenschützen, die beim guten alten Edgar Wallace nicht entfesselt, sondern grün waren, wie auch das Cover der neuen Scheibe: „Ph4/NT0mA“, Klarschrift Phantoma, geht gleich mal gut uns Ohr und zeigt, dass das neueste Unleash the Archers-Werk etwas eingängiger und weniger proggig ist als die Jahrhundertepen Abyss und Apex. Inhaltlich ein weiteres SF-Konzept-Album, liefert die Scheibe hervorragendes Futter für Power-Metal-Freunde, die Kombo um Bandgründer Scott Buchanan klingt tight, transparent und zeigt sich spielfreudig. Durchaus bemerkenswert darf man dabei notieren, welchen Sound Meister Buchanan aus einem eher minimalistischen Drumset herausholt – im Bus war offenbar nur noch Platz für Handgepäck, so überschaubar wirkt die Ausstattung. Die Saitenfraktion steht mit Grant Truesdell und Andrew Kingsley wie eine Eins, sogar einen Basser (bei den beiden Vorkombos noch unsichtbar) gönnt man sich in Person von Nick Miller, der sich nicht auf 5 Saiten beschränkt, sondern sogar 6 Tieftöner bearbeitet – weil er’s kann, nehmen wir an, ganz nach dem Motto „This goes to eleven“. Blickfang und zentrale Zeremonienmeisterin aber ist natürlich Brittney Hayes, Bühnenpersona Slayes, die offenbar im gleichen Designer-Outlet einkauft wie Elize Ryd und Alissa White-Gluz: die Abteilung Senkelhausen wurde auch hier besucht, Frau Slayes agiert im adretten Kostüm, umweht von einem feschen Mantel und natürlich dem obligatorischen festen Schuhwerk – ein Wasserrohrbruch kann getrost kommen. Mit „Ghosts in the Mist“ geht’s gleich weiter mit neuem Material, wir probieren uns ein wenig mit zu betätigen, dazu gleich mehr.
Nach „Green & Glass“ befragt uns Frau Slayes: „are you ready for a night of Ultra Power Metal?” Aber natürlich, diese Form von Ultras sind wir doch gerne, vor allem wenn das formidable „Gods In Decay“ die Phalanx der neuen Nummern wunderbar beschließt. „Now we take you back to 2017“, so führt die gute Brittney weiter durchs Programm: mit “Awakening” setzt es den ersten Beitrag aus der etwas komplexeren Historie vom gefeierten „Apex“-Album, worauf Chorleiter Sebbo feststellen muss: „Da kann man irgendwie nicht mitsingen!“ Stimmt, das Material ist blitzblank, wunderbar und allererste Klasse, aber fröhliches Mittun fällt irgendwie aus. Daraus machen wir uns allerdings wenig bis nichts: das heftige „Matriarch“ kommt klar und druckvoll rüber, so muss das klingen. Mit dem titelgebenden „Apex“ erleben wir dann die typische Archers-Mischung aus epischen Melodien, pfeil(einmal muss sein!)schnellen Rhythmen und dann einem doch halbwegs mitmischbarem Refrain. Groß! Kurze Pause, „Waking Dream“ kommt live vom Band, und durch die Boxen hindurch können wir erspähen, dass Brittney hinter der Bühne – inhaliert. Genau. Wie wir später lesen, hat sich die Dame auf der 70,000 Tons of Metal-Kreuzfahrt ordentlich verkühlt und laboriert seitdem an einer Erkältung – alle Achtung und Hut ab, wie sie sich heute dennoch präsentiert. Massiver Prospekt! Jetzt greifen wir in die jüngere Vergangenheit, die man eigentlich schon wieder vergessen hat: „now we want to show you what the „Abyss“-Tour would have looked like“ – stimmt, 2021 hatte man die Tour gerade gestartet und musste dann aufgrund eines garstigen Virus, das sich noch nicht geschlagen geben wollte, abbrechen. „We did a lot in the meantime, for instance – have a kid!”, so berichtet Mama Slayes stolz, so dass wir dann das epische Titelstück des 2020er-Albums beseelt bestaunen dürfen. Bei „Soulbound“ absolviert die Dame dann ein paar astreine Diamond Dave Lee Roth-Jumps, „Faster Than Light“ brettert bestens daher, bevor Brittney den Song ankündigt „that first got attention in Europe for us“, inklusive eines Mad Max inspirierten Videos: „Tonight We Ride“ fegt über uns hinweg wie in Sturm. Kurze Pause, dann kommt endlich die Nummer, auf die zumindest ich mich tierisch freue: das wunderbar folkige „Northwest Passage“, im Original vom kanadischen Songschreiber Stan Rogers, avanciert mit leicht anderem Stil - und mit ordentlich Tempo dennoch sehr Archers-geprägt - zu einer epischen Hommage an Forscher und Entdecker aller Art. Wir sind enthusiasmiert und singen den Refrain auch vor der Halle noch lauthals. Immerhin kann man sich das merken.