Zumba auf Schwedisch: wir hüpfen mit Hardcore Superstar und Wednesday 13
/14.11.2024 Backstage München
Party ain’t over till I say so – das ist ein Motto, das wir doch in jedem Falle unterschreiben können. Wenn die schwedischen Recken von Hardcore Superstar vorbeischauen und uns gleich noch den Gruselglamer Wednesday 13 mitbringen, sind wir doch dabei.
Kaum versieht man sich, wird es gefühlt am Mittag schon wieder dunkel, und der Nebel wabert in der Dämmerung um die Ecken. Da kann eine gehörige Mischung aus Grusel und launigem Sleazepunk’n‘Roll doch nur passen und helfen, weshalb wir uns an diesem Donnerstag gerne in Richtung unseres zweiten Wohnzimmers schwingen. Nach anfänglicher Verwirrung ob des Kartenhäusels (dieses Mal zu finden nicht am Eingang, sondern auf dem Gelände in der Einraumkneipe namens Reitknecht) biegen wir frohgemut ins Werk und konstatieren, dass wir die erste Kombo wohl leider verpasst haben – das Backdrop kündet davon, dass die Sause mit Wednesday 13 noch bevorsteht, was dann um Schlag 20 Uhr auch lautstark der Fall ist. Gewandet in blutrote Lederjacke und massives Schuhwerk springt Joseph Poole in seiner Bühnenpersona auf die Bretter und legt ein beachtliches Arbeitspensum vor. Er dräut, kickt, kniet und hüpft, dass man sich über die körperliche Verfassung des Herrn keine Sorgen zu machen braucht. Der Übungsleiter serviert dabei eine bunte Werkschau seiner früheren Heimat Murderdolls, die vor, so macht er uns launig aufmerksam, vor 22 Jahren („who was there? Who is as old as I am?“) als Horrorpunk-Supergroup vom damaligen Slipnot-Schlagwerker Joey Jordison ersonnen mit ihrem Debüt „Beyond the Valley of the Murderdolls” von sich reden machten. „Chapel of Blood“ und „Death Valley Superstars“ schlagen schon mal ordentlich ins Kontor, bevor dann mit „197666“ auch eine Nummer der Zweitkombo des Herren, der Frankenstein Drag Queens from Planet 13, zum Tragen kommt.
Herr Mittwoch der 13. (nicht verwandt mit Alfons dem Viertel vor 12., das ist ja bekanntlich der König von Lummerland) macht weiter ordentlich Wind, optisch irgendwo zwischen Ozzy und Alice Cooper, als diese beiden noch jung waren, und auch seine Begleitband gibt mit standesgemäßer Ausrüstung (Twilight Zone-T Shirt und Nosferatu-Konterfei auf der Klampfe) gehörig Gas. Der Glam Horror Punk der Herrschaften besteht in erster Linie aus treibenden Riffs und räudigem Gesang, was die Menge mit einem massiven Gerammel goutiert. Wir sind erstaunt und entzückt: der Kollege Movement, den wir seit langem vermissten, da ist er wieder! „They call me the Duke of Spook!“, wendet sich Herr Mittwoch nun wieder an uns, betont nochmals die geschichtsträchtige Zeitdauer seit dem Erstling („you had to go to a shop, and buy a CD, and put it into your CD player!“ – lange ist‘s her…) und steht mit „Blood Stained Valentine“ weiter auf dem Gas. Die Meute rotiert mittlerweile permanent, mit dem fast schon atmosphärischen „Summertime Suicide“ gibt es das absolute Hochlicht der Vorstellung, bevor der Maestro dann nach dem Motto “Mütze auf” den Kap’tän mimt. Das mit entsprechend beschriftetem Regenschirm vorgetragene „I Love To Say Fuck“ kommt ein wenig albern daher, aber „Dead in Hollywood“ setzt einen fulminanten Schlusspunkt unter 60 wilde Minuten, die es in sich hatten. „Der arbeitet für sein Geld!“, konstatiert der Wirtschaftsweise Sebbes noch – wir stimmen zu.
Ob das mit dem Sportstudio schauen heute noch was wird? Wir lassen es offen, solange auf der Bühne emsiges Treiben herrscht und vor allem der korrekten Anzahl der Gitarrenplättchen am Mikroständer erhöhte Aufmerksamkeit zukommt. Man will ja nicht zu knapp ausgestattet sein. Offenkundig ist alles bestens geplant: keine Sekunde vor 21:30 marschiert dann das schwedische Sleaze’n’Roll-Kommando um Fronter Joakim Berg ein und wirft sich mit „Beg For It“ gleich mal massiv in die Bresche. Der Herr Movement hat zu diesem Zeitpunkt offenbar erst mal wieder Platz genommen, wir reiten die Welle aber getreulich wieder nach oben: mit „Into Debauchery“ und „Medicate Me“ gelingt das auch famos, wobei wir kurz feststellen, dass Tieftöner Martin Sandvick mit Hut mittlerweile fast ein wenig wirkt wie aus der Marius Müller-Westernhagen Band entsprungen, seinen Dienst aber immer noch herausragend versieht und beim beherzten Background-Singen den Mikroständer fast umschmeißt. Das sarkastische „Guestlist“ brettert schön daher, „Guten Abend München! Ich liebe Dich!“, versichert uns Joakim, bevor es mit dem groovigen „Kick on the Upperclass“ weitergeht. So langsam findet dann auch der Movement wieder Zeit, hereinzuschauen: die Menge springt in den Mixer, erweist sich als überraschend textsicher und kommt immer mehr in Wallung. Mit launigem „La la la“-Mitsingspielchen kredenzen sie uns ein schmackiges „We don’t need a cure“, während Kleidungslogistiker Sebbo sich am Leibchenstand versorgt – was man Joakim auch empfehlen mag, dessen Kluft arg mitgenommen scheint. Oder vielleicht ist das ja Absicht. Nach der Abrissbirne „Bag on Your Head“ kündigt Joakim dann etwas Überraschendes an: „We will do something we do not usually do. So relax, sit down and have glass of wine.” Das Getränk lehnen wir dankend ab, lauschen aber gerne den akustischen Fassungen, die Gitarrero Vic Zino locker vom hereingetragenen Hocker aus dem Handgelenk schüttelt: das Medley aus „Run to your Mama“, „Fight“ und „On the Verge“ läuft fein rein, auch wenn Herr Berg dabei bisweilen wie ein Axl Rose auf Salatöl daherkommt. Der Roadie muss einstweilen den pick up Vorrat auffüllen – wir haben‘s ja gesagt -, dann gibt es mit „Someone Special“ das mit Abstand beste Oasis-Lied, das nicht von Oasis stammt. Wunderbar! Spätestens beim groovigen „Moonshine“ geht die Post dann endgültig ab, die Menge tobt, und auch die Vertreter einer gewissen allseits geschätzten Online-Postille kennen kein Halten mehr.
Während Joakim das Bad in der Menge sucht, macht Coiffeur Sebbo endlich mal wieder einen auf Rapunzel, lässt das güldene Haar herunter und mimt den sprichtwörtlichen Derwisch. Beim nun folgenden „Last Call For Alcohol“ hebt das Nutztier vollends ab, wir hüpfen nun in freudiger Eintracht und absolvieren somit quasi eine spätabendliche Sporteinheit mit schwedischem Einschlag – smörebröd Zumba röm töm töm! Nach einer kurzen Pause kommen sie natürlich nochmal wieder, „Above The Law“ zündet wunderbar, aber – natürlich – markiert „We Don’t Celebrate Sundays“ den absoluten Gardekracher. „Was ein Abriss!“, wägt Sebbes pointiert ab, als mit dem „Electric Rider“ und dem Leibchen-Motto-Geber „You Can’t Kill My Rock’n’Roll“ der endgültige Schlusspunkt markiert wird. Die Müdigkeit ist uns wirkungsvoll ausgetrieben, wir traben beseelt heimwärts – da ist es fast schon gar nicht mehr verwunderlich, dass uns mitten ihm Wohngebiet ein Fuchs entgegenkommt. Die Wildnis lebt eben doch.