Modernes Sprechen auf Finnisch: Beast in Black und Myrath im Backstage

18.11.2019 Backstage München

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Metal mit furiosen Melodien: Beast in Black etablieren sich zunehmend als sichere Live-Bank. Und unseren Freunden aus Tunesien schauen wir auch immer wieder gerne zu. Deshalb waren wir bei diesem Paket natürlich dabei. Aus der Hölle mit viel Liebe!

Ach, so voll wird das nicht, das ist ja immer noch so ein kleiner Geheimtipp, diese nicht mehr ganz so neue Kombo von Battle Beast-Gründer Anton Kabanen. Immerhin waren die Herren bislang nur als Vorband zu bestaunen, zuletzt bei Nightwish, also gehen wir einfach mal davon aus, dass die Ansetzung heute im kuschligen Club stattfinden wird, zumal sich zeitgleich auch die Black Star Riders die Ehre geben. Am Einlass allerdings stellt Techniker Sebbo konsterniert fest, dass wir leider die falsche technische Ausrüstung mitführen: mitnichten ist das Ganze eine überschaubare Sache, nein, die Finnenkombo hat es tatsächlich ins große Werk geschafft. „Dafür hab ich nicht das richtige Objektiv dabei!“, moniert Optikfetischist Sebb die sozialistische Fehlinformation bezüglich des Austragungsortes. Aber egal, wir marschieren hinein und stellen fest, dass die Räumlichkeiten schon gut gefüllt sind, als unsere guten Bekannten von Myrath die Bühne entern.

Diese Kollegen haben wir ebenfalls schon mehrmals bestaunt und konstatieren eine erneut verbesserte Bühnenpräsenz und Showerfahrung. Die Tunesier um Fronter Zaher Zorgati (erneut im schicken Wallemantel) servieren ihren progressiven, leicht orientalischen Metal mit Gusto und steigen nach einem kurzen Intro gleich mit „Born To Survive“ knackig ins Programm ein. Bei Herrn Zorgati notieren wir erfreut, dass er sich immer mehr in Regionen schwingt, in denen dereinst ein gewisser Ronnie James Dio unterwegs war – und dass er nach wie vor sofort für Bülent Ceylan einspringen könnte, wenn der mal lieber die Sportschau sehen will als seine Samstagabend-Show zu moderieren. Gitarrist Malek ben Arbia wirkt ebenfalls gewohnt zuverlässig – diesem Mann würde man definitiv die Steuererklärung überlassen, macht der gut, keine Frage -  aber auch an der Sportguitarre macht der Kollege einen souveränen Eindruck. „You’ve Lost Yourself“ läuft mit orientalischen Vibes ebenfalls gut rein, bevor sich Herr Zorgati nun in mehr als brauchbarem Deutsch (das macht Schule, auch Oberwikinger Johan Heeg parlierte letzte Woche ja trittsicher mit uns) zu Wort meldet und feststellt, dass er zwar leicht erkältet sei, aber entzückt über das zahlreiche Erscheinen. Die Menge goutiert das Geschehen zunehmend und feiert das folgende „Dance“ massiv ab. Nach „Darkness Arise“ schließt sich ein kleines Mitsingspielchen an, das Herr Zorgati gewinnt und mit einem deftigen „Die ganze Welt könne mich am Arsch lecken“ quittiert. Respekt, den alten Götz hat er also auch gelesen. „Wicked Dice“, „Monster in my Closet“, so geht die Sause fröhlich weiter – „die haben wohl vergessen, dass sie nur Vorgruppe sind!“, bewertet Programmadministrator Sebbo die scheinbare Losgelöstheit von jeglicher Zeitplanung. Am 11. März 2020, so hören wir nun, kommen sie zurück nach München, als Headliner mit voller Show, „with Bellydancers, Firespitters and Magic – like we did in Wacken!“ Nun, da werden wir wohl wieder mit dabei sein. Hier jedenfalls ist nach „Believer“ (inklusive Grönemeyer-Winkehänden) Schluss – zumindest fast, denn mit „Beyond the Stars of Persia“ kredenzen sie uns sogar noch eine Zugabe. In der Tat außergewöhnlich für den Support Slot, aber in jedem Fall gerne genommen. Bis zum März, die Herren!

Nun wird die Bühne mit allerlei Tod und Teufel-Deko garniert: an jedem Mikroständer hängen gefühlt fünf Totenköpfe, irgendwelche Knochensplitter dürfen auch nicht fehlen – fast könnte man meinen, es stürmten sogleich irgendwelche Schwarzwurzel-Wüteriche hervor. Weit gefehlt, nachdem ein Techniker geschätzt dreißig Mal an jedem Mikro gerochen hat (offenbar kann man sich auch so von der Funktionstüchtigkeit überzeugen), hüpfen natürlich unsere zweitliebsten Pop-Metaller aus Finnland auf die Bretter und legen die „Cry Out For A Hero“ schon mal ein ordentliches Pfund vor. Der Sound gibt sich anfangs sehr schmalbrüstig, bessert sich aber im Verlaufe des Geschehens, so dass gegen Ende des Songs nichts mehr zu mäkeln ist. Shouter Yannis Papadopoulos im feschen schwarzen Kittel hat sich sichtlich ebenfalls während der mittlerweile fast zweijährigen Tourerei einen ganz gewaltigen Schnaps Selbstsicherheit geholt und posiert überzeugend, während sein Organ mal rau, mal clean in Stimmlagen chargiert, die wir auch von einer gewissen Noora entfernt kennen. „Unlimited Sin“ und das schnell dahinpreschende „Beast in Black“ sind die nächsten Steuerknüppel, die von Zottelmonster Atte Palokangas (dieses Mal nicht gegen die Gerechtigkeitsliga) schmackig inszeniert werden. Bei „Eternal Fire“ stellen wir erfreut fest, dass Cheffe Anton nicht nur in Sachen Schuhwerk in Führung geht (Plateau ist gar kein Ausdruck für diese Stelzen), sondern auch ein Leibchen des Versandhauses trägt, bei dem auch wir gerne zugreifen: aus dem Hause „Last Exit to Nowhere“, Heimat der obskuren Filmzitate für Insider, hat er ganz offenkundig sein Oberhemd, das ein fesches „Skynet“-Logo ziert. Das erkennt Filmhistoriker Sebbo sofort und verortet das treffsicher bei der Zeitreise-Keilerei zwischen Linda Hamilton und einem amerikanischen Gouverneur, die im Kino ganz aktuell in die neueste Runde geht. Dass man im Beast in Black-Lager den seligen 8oern frönt, zeigt sich alldieweil nicht nur im popiigen Metal-Soundgewand, sondern auch im Gitarren-Ballett, das die Stahlkocher aus Solingen damals einführten und zur Perfektion brachten. Langsam aber sicher verfestigt sich der Eindruck, dass der gute Anton ganz bewusst eine andere deutsche Galionsfigur humoristisch Ehre erweist: die Faust hämmert abwechseln auf die Saiten und schwingt in der Luft im Takt, ganz so, wie dies der gute Dieter Bohlen mit seiner völlig überflüssigen Gitarre um den Hals in zahllosen Formel Eins-Folgen darbot. Amüsant und in dieser Form mit massivem Augenzwinkern. Und eingestöpselter Gitarre, versteht sich, auf der Anton gerne auch mal Pop-Hymnen wie „Axel F.“ intoniert und dabei sichtlich Spaß hat. Den haben offenbar auch diverse ausgelassene Gestalten im weiten Rund, die sich gebärden, als würde dort oben Slayer und Testament gleichzeitig lärmen: Moshpit, Wall of Death, Circle Pit, alles ist geboten. Kann man auch machen, muss man hier jetzt nicht unbedingt – immerhin klingen Nummern wie „Blood Of A Lion“ oder „5th Angel“ trotz Titelnähe jetzt nicht unmittelbar nach „Raining Blood“ oder „Angel Of Death“. Egal, die jungen Leute brauchen offenbar Auslauf, soll uns Recht sein. „True Believer“ klingt wie von einem Soundtrack eines 80er-Buddy-Action-Movie entnommen, wie auch „Heart Of Steel“ auf der LP zu „Rocky IV“ eine genauso gute Figur gemacht hätte wie das „Burning Heart“. Anton hat einstweilen jede Menge Spaß daran, Grimassen zu schneiden und aus dem Publikum heraus Fredbilder von sich machen zu lassen – guter Mann, hat Humor. Erstmals auf der ganzen Reise, die offenbar nach der heutigen Ansetzung endet, kredenzen sie mit „Oceandeep“ eine wunderhübsche Ballade, bevor mit „Die By The Blade“ der Disco-Sound regiert. Zu „Crazy, Mad, Insane“ trägt an dann die gleichen albernen LED-Brillen wie stets – das sieht aus wie eine Mischung aus den Zoohandlungsbuben und den Village People, soll es wohl auch, aber songtechnisch gefällt uns dann „Sweet Little Lies“ um einiges besser, auch wenn Stilpapst Sebbo anmerkt: „Also dieses Intro ist ja illegal, da kommt gleich die Polizei!“ Wir kommen gerade noch um die Verhaftung herum und bestaunen noch „From Hell With Love“, das mein heute leider verhinderter Sohnemann gerne als „best song ever written“ bezeichnet. Na, oberes Drittel, würde ich mal sagen, in jedem Fall fulminant und massiv melodisch, so feiern wir das ab. Nach „Blind And Frozen“ und „End Of The World“ ist endgültig Schicht im Schacht, Couture-Freund Sebbo deckt sich am Leibchenstand noch mit Myrath-Waren ein, und wir springen nach draußen in die montägliche Nacht. Wir sehen uns wieder, keine Frage. Trotz Brillen und Brother Louie-Gestik. Oder gerade deswegen.