Braukunstwerke und echtes Feuerwasser: wir probieren Bier und Malt in Patagonien

2018-03-13_15-43-42.jpg

Internationale Tastings, nächste Folge: auch in Argentinien kennt man nicht nur Rotwein und Steaks, sondern schätzt auch Gerstensaft und feine Geister. Und man stellt sogar einen ganz besonderen Single Malt her. Da kommen wir nicht umhin, uns vor Ort vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes und auch von der Qualität zu überzeugen!

Fin del Mundo, Ende der Welt – Patagonien steht für endlose Schlagloch-Pisten, gewaltige Gletscher und natürlich die Grenze zur Antarktis. Aber neben ordentlich gepflegter Gaucho-Romantik und Schafen, soweit das Auge reicht, hat sich auch in diesem Winkel der Erde neben dem allgegenwärtigen vino tinto eine differenziertere Getränkekultur entwickelt. Nicht nur in den Großstädten, sondern an jeder Ecke tritt einem das hier als cerveza artesanal bezeichnete craft beer entgegen, das sich neben den nach „receta tradicional alemana“ gebrauten Vertretern (darunter so klingende Latino-Namen wie „Schneider“, „Kunstmann“ oder „Weidmann“) seinen Platz errungen hat. Selbst in kleinen Pubs und Restaurants bietet man stolz ein eigenes Gebräu an – oder nimmt das Ganze gleich zum Motto, wie das 7030 Beer House in Buenos Aires, wo gleich zwanzig Sorten frisch gezapft feilgeboten werden. Die gängigen Großmarken deutscher Provenienz bieten allesamt solide Qualität, während die kleineren Kraftbiere unterschiedliche ausfallen: von durchaus brauchbaren Varianten wie dem sinnig betitelten „Beagle“ stehen auch weniger gelungene Kollegen (das „Iguana“ konnte uns nicht überzeugen) und seltene Totalausfälle wie ein nicht näher betiteltes Eigengebräu, das wir im Gebirgsdorf El Chaltén erwischten. Gemein ist allen Kraftbieren auch in Patagonien der typisch fruchtige, blumige Geschmack, der einem sofort das wunderliche Wort Hopfendolden in den Sinn bringt (wobei wir nicht ergründen konnten, wie man dies hierzulande bezeichnet).  

Deutlich schwieriger gestaltete sich die Suche nach einer echten Rarität: einem vor Ort hergestellten Single Malt, von dem wir im Vorfeld sagenumwobene Halbinformationen aus der virtuellen Welt erhalten hatten. Allgegenwärtig und praktisch an jeder Supermarktkasse zu finden ist zunächst einmal der „Breeder‘s Choice“: mit 40% und einem stolzen Preis von 33 argentinischen Peso – umgerechnet knapp unter 1,50 EUR – ordnen wir dieses Fabrikat getrost der Marke „Das verdirbt sogar eine Cola“ zu und haken das zunächst eher als kurioses Mitbringsel ab. Im Test im heimischen Wohnzimmer stellt sich dann heraus, dass dieser Blend weit weniger sperrig als erwartet daherkommt: immerhin werden für diese furiose Mischung drei echte schottische Single Malts (man munkelt von Blair Athol, Dufftown und Inchgower) verwendet, die für vier Jahre in Bourbon-Fässern reifen, bevor man das Ganze nach Argentinien verschifft und dort noch mit örtlichen Bränden vermengt. Im Ergebnis steht dann ein sogar genießbarer, massentauglicher Geselle, der wohl nicht umsonst seit den späten 60ern zu den absoluten Bestsellern in Argentinien zählt. Schau einer an! 

Zweifelsohne spannender geht es dann aber beim Ausflug zu einem spektakulären Naturschauspiel zu: der gewaltige Gletscher Perito Moreno gehört zu den größten zusammenhängenden Eismassen der Welt und „kalbt“ auch bisweilen, was just zwei Tage vor unserem Besuch der Fall war. Anders als die meisten Schaulustigen beschränken wir uns nicht auf eine bequeme Vorbeifahrt per Schiff, sondern schnallen uns kurzerhand die Steigeisen um und klettern unter sachkundiger Führung behende auf dem blau schillernden Eis umher. Als „little surprise“ am Ende der Tour kredenzt man uns, garniert von eimerweise Gletschereis, doch tatsächlich einen kleinen dram: genauer gesagt einen Blended Scotch mit Namen „Sir Edward’s“, der spaßigerweise ausgerechnet in Frankreich in die Flasche wandert. Gefärbt und mit 40% tritt uns dieser adlige Kollege als klassische Industrie-Großproduktion entgegen, die im unteren Preissegment angesiedelt auch in unseren Breitengraden leicht erhältlich ist. Hier und heue zählt mehr das Erlebnis als der Geschmack, und die imposante Kulisse verfehlt ihre Wirkung nicht.

Nun aber zur wirklichen Qualität, die wir seit unserem Start in Buenos Aires vergeblich verfolgen und dann tatsächlich doch noch erspähen. Im schmucken kleinen Restaurant La Zaina in El Calafate, dem Ausgangspunkt für die Perito Moreno-Expedition, entdecken wir neben einem legendären Steak auf der Getränkekarte und auch auf der Theke in der Tat einen „Alazana“ – den einzigen Single Malt aus Patagonien. Sichtlich erfreut über unser Interesse an der heimischen Produktion, schenkt uns Wirt Leonardo Saracho gerne die zwei Varianten aus, in denen man das Destillat herstellt. Nach eigenen Worten verfügt die Alazana-Brennerei aus Paraje Las Golondrinas nahe dem Lago Puelo im Regierungsbezirk Chubut seit 2011 über die erste Single-Malt-Brennlizenz Argentiniens und verwendet für ihr Produkt – selbstverständlich! – ausschließlich bestes Anden-Wasser sowie Gerste von den endlosen Pampas. Die Produktionsmenge ist mit 60 Fässern pro Jahr, die in einer eigens gefertigten Kupferbrennblase entstehen, mehr als überschaubar.

Die Basisausführung steht mit eher leichten 40% bernsteinfarben im Glas und verbreitet in der Nase zunächst einen durchaus alkoholischen Antritt, bevor sich Aromen von Vanille und Eiche (kaum überraschend, erfolgt die Lagerung doch in amerikanischen Bourbon-Fässern) breitmachen – manch einer will sogar Noten von Tonka-Bohnen ausmachen. Auf den zweiten Riecher kommen dann auch die für die Sherry-Nachreifung typischen süßeren Aromen von Rosinen zum Tragen. Auf der Zunge können sich dann vor allen die Vanille-Anklänge halten, und insgesamt konstatieren wir ein leichtes, florales, überraschend wenig kantiges Geschmackserlebnis. Etwas mehr Zeit im Fass (eine Altersangabe suchen wir vergebens, insofern gilt hier das Mindestalter von drei Jahren, das auch für die erste Abfüllung herhalten musste – maximal können es seit 2011 ohnehin ja nur sieben sein) würde dem Pampa-Bewohner sicherlich gut zu Gesicht stehen, aber eine mehr als ordentliche Leistung ist das allemal. Mit dem „Haidd Marlys“ wenden wir uns nun noch der torfigen Ausführung zu, die mit 46% Stärke aufwartet und standesgemäß einen rauchigen Geruch verströmt, der die metallischen Anklänge der Basisvariante wirkungsvoll verdrängt. Gleichzeitig machen wir frische, fast gurkenhafte Noten aus, die sich im Geschmack ebenfalls halten: süßlich tritt er uns entgegen, mit viel Vanille und Honig, bevor der eher kurze Abgang noch einen Hauch von dunkler Schokolade hinterlässt. Wir stellen fest, dass diese heimischen Gewächse durchaus mit mancher deutscher Produktion mithalten können und fragen Leonardo noch, wo wir denn nun eine Flasche erstehen könnten. Der ist fast schon amüsiert: das sei nahezu unmöglich, bestenfalls in Buenos Aires im Spezialgeschäft sei das zu machen – umso mehr sind wir angetan, dass wir hier und heute in den Genuss dieses Gesellen kamen. Wir bedanken uns artig, plaudern noch ein wenig über Patagonien im Allgemeinen und Malt im Besonderen und sagen dann „hasta luego“. Immerhin hoffen wir, einmal wiederzukommen.