Beasts of Bourbon

Unser werter und fleißiger Kollege Kai hat für uns mal wieder tiefer in die Tasse geschaut…

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Meine dritte Bourbon-Verkostung befasst sich mit vier Destillaten, die es allesamt in sich haben. Von regelrechten Bourbon-Biestern kann man sprechen, betrachtet man zum einen die ikonischen Darstellungen auf den Etiketten oder wirft alternative einen Blick auf den Alkoholgehalt zweier der besprochenen Kandidaten.

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Wir starten mit dem Buffalo Trace, benannt nach dem Great Buffalo Trace, einem uralten Bisonpfad, welcher den Kentucky River nördlich des heutigen Frankfort, dem Sitz der gleichnamigen Brennerei, kreuzte. Die Standart-Abfüllung mit einem mächtigen Bisonbullen auf dem Etikett wird mit einem Alkoholgehalt von 40% Vol. abgefüllt. Darüber hinaus gibt es aber noch die 1-Liter-Flasche mit demselben Whiskey und einer Stärke von 45% Vol., welche ich nun zur Verkostung vor mir stehen habe. Der klassische Kentucky Straight Bourbon liegt mit schöner Bernsteinfarbe im Glas und zieht seine Schlieren über dessen Innenwand. In der Nase wirkt er rein, weist die typischen Noten von Karamell bzw. Popcorn auf, vermittelt aber auch einen Hauch von frischen Kräutern. Auch geschmacklich stehen süße Noten von Karamell und Waldhonig im Vordergrund. Eine elegante Würze lässt erahnen, dass der Roggenanteil in der Mash Bill vielleicht nicht so hoch wie beispielsweise bei einem Bulleit Bourbon, sicherlich aber über den durchschnittlich verwendeten 15% liegt. Was weich startet und dabei keine allzu große Komplexität vorweist, klingt schließlich leicht trocken, aber eben auch nicht sonderlich lang anhaltend aus. Dennoch findet man für einen Marktpreis von etwas über 20 Talern im Buffalo Trace einen sehr gut gemachten Bourbon, den man sich im Kreise Gleichgesinnter gerne als Companion für einen feucht-fröhlichen Abend zur Seite stellt. Mehr noch: dieser Tropfen verleitet mich doch glatt dazu, meinem bisherigen Favoriten dieser Preisklasse, nämlich dem Bulleit, gelegentlich fremd zu gehen.

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Das nächste Destillat stammt aus der Produktion derselben Brennerei und trägt den Namen Eagle Rare. Wie eben verkosteter Buffalo Trace wird auch dieser Bourbon mit 45% Vol. in die Flasche gebracht und besitzt darüber hinaus die Altersangabe von 10 Jahren, was bei einem Kentucky Straight Bourbon schon eine stattliche Hausnummer ist. Ehe wir uns nun Aroma und Geschmack widmen, sollen – ja müssen – hier ein paar Worte über die Aufmachung dieses Artikels verloren werden. Die schlanke Flasche mit langem Hals und schwerem Boden besitzt auf ihrer Vorderseite nämlich kein Etikett. Stattdessen sind ein Weißkopf-Seeadler, das Wappentier der USA, beim Beutegriff und der geschwungene Schriftzug mit weißer Farbe direkt auf das Glas gedruckt. Auf der Rückseite der Flasche befindet sich schließlich ein großes, beidseitig schwarzes Etikett, wodurch der weiße Aufdruck der Vorderseite besser zur Geltung kommt und den Inhalt dunkler wirken lässt, obwohl er rein farblich von seinem eben beschriebenen Bruder im Grunde kaum zu unterscheiden ist. Ein echter Hingucker – meisterhaft und effektiv gestaltet. Der arg patriotische Text auf dem Rücketikett mit Schlagwörtern wie liberty, freedom, birth of a nation, independence und so weiter mag beim amerikanischen Konsumenten vielleicht einen gewissen Nerv treffen, wirkt hierzulande aber sicherlich auf die meisten eher befremdend. Dies nur am Rande.

Einmal im Glas gelandet, verströmt der Eagle Rare ein hoch interessantes Aroma und ist weit weniger süß als eben der Buffalo Trace. Stattdessen besitzt er ein paar herbe, erdige Noten, aber auch etwas leicht Frisches, das mich an zerriebene Nadeln einer Douglasie denken lässt. Im Rachen zeigt sich der Eagle Rare dann vollmundig, fühlt sich cremig an und ist dabei trocken und extrem würzig mit Anklängen von Eiche, von Nüssen und von Kräutern. Süßliche Karamellnoten sind zwar definitiv da, treten gegenüber der erstaunlichen Würze aber eher in den Hintergrund. Der Abgang ist lang und trocken.

Dass dieser Whiskey bereits mit einer schier unüberschaubaren Anzahl an Preisen und Medaillen überhäuft wurde, wundert mich nach diesem Tasting kein bisschen. Absolut außergewöhnlich und definitiv anders als die meisten Bourbon Whiskeys, die ich bisher probiert habe. Nicht nur wegen des tollen Designs ist der Eagle Rare daher ein perfektes Liebhaber-Geschenk. Dass man hierfür etwas tiefer in die Tasche greifen muss, ist absolut gerechtfertigt.

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Auch Truthähne können Biester sein! Dieser hier, der Wild Turkey Rare Breed, verdient sich den Titel als Beast Of Bourbon aber schon wegen seines hohen Alkoholgehalts von 58,4% Vol. Eben Barrel Proof und uncut. Da ist es doch erstaunlich, dass der Bursche in der Nase kein bisschen kitzelt. Vielleicht ist mein Riecher ja vom Eagle Rare noch etwas betört. Also kurze Pause, dann nochmal schnüffeln und schon sind sie da, die für einen Kentucky Straight Bourbon so typischen Aromen von Karamell, Popcorn und gebrannten Mandeln. Also runter damit und kurz im Mund geschwenkt. Aha – da ist er schließlich doch noch, der Alkohol, und regt unvermittelt den Speichelfluss an. Trotzdem bleibt dieser Wild Turkey erstaunlich mild und ist angenehm zu trinken. Obwohl ich ihn nicht übermäßig komplex finde – proklamierte Fruchtnoten von Orange kann ich heute zum Beispiel nicht feststellen – findet dieser Bourbon eine harmonische Balance zwischen Süße, Würze und feinen Toffee-Anklängen, die lange und trocken stehen bleiben. Der Rare Breed besitzt zwar keine Altersangabe, so mild und ausgewogen wie er sich präsentiert, darf man aber schon davon ausgehen, dass die ausgewählten Einzelfässer für diese Marke deutlich älter sind als die gesetzlich vorgeschriebenen 3 Jahre. Vielleicht hängt der hohe Qualitätslevel des Rare Breed auch damit zusammen, dass für die Reifung stark ausgebrannte Fässer verwendet werden. Bei der Bourbonherstellung werden ja 7 verschiedene Stufen unterschieden. Der Standard bei der Ausbrennung liegt meines Wissens nach bei Level 3. Der Rare Breed wurde auf Level 4 ausgebrannt, was schon dazu führt, dass die verkohlte Innenwand des Fasses eine rissige Struktur erhält, die an den Panzer eines Alligators erinnert. Alligator Casks werden solche Fässer daher auch genannt. Die netzartig verkohlte Struktur hat schließlich den Effekt, dass der Whiskey tiefer ins Holz eindringen kann, um entsprechende Aromen aufzunehmen. Zudem karamellisiert durch das starke Ausbrennen der Holzzucker noch besser. Eine Wissenschaft für sich und sicherlich ein Parameter, der sich auf die Qualität des Bourbons auswirkt! Den Wild Turkey Rare Breed kann man jedenfalls nur empfehlen.

Kommen wir schließlich zu unserem letzten Kandidaten, dem Elijah Craig Barrel Proof, batch A117 mit einem sagenhaften Alkoholgehalt von 63,5% Vol. Der ist auch ohne tierisches Maskottchen auf dem Label ein echtes Biest und wurde unverschnitten und ungefiltert in die Flasche gebracht.

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An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs eingeschoben. In meinem ersten Bourbon-Tasting vor ziemlich genau zwei Jahren stand der Elijah Craig mit 12 Jahren Altersangabe und 47% Vol. auf dem Prüfstand. Schon damals kursierte im Internet das Gerücht, dass die Heaven Hill Distillery, die sich hinter dieser Marke verbirgt, aufgrund der hohen Nachfrage künftig auf eine Altersangabe bei der Standartabfüllung verzichten möchte. Es kam natürlich, wie es kommen musste. Und wenn man heute einen zwölfjährigen Elijah Craig genießen möchte, bleibt einem tatsächlich nur der Griff zum Barrel Proof – der besitzt nämlich auch weiterhin besagtes Alter.

Zusammen mit der Tilgung der Altersangabe bei der Standardabfüllung wurde auch das Design der Produktpalette von Heaven Hill überarbeitet. Der neue Elijah Craig präsentiert sich in einer bauchigen Dekanter-Flasche, auf deren Korken eine dicke Holzkrone sitz. Das macht rein optisch schon mal ordentlich was her! Einmal im Glas gelandet und kurz geschwenkt zieht der Elijah Craig dicke Schlieren und ja – der hier kitzelt dann tatsächlich in der Nase… aber sowas von! Zudem verströmt er neben den üblichen Bourbon-Aromen noch einen gewissen Hauch von verkohltem Holz und Lagerfeuer. Auf der Zunge wirkt er zunächst betäubend, schon wegen dem hohen Alkoholgehalt. Ein pelziges Gefühl im Rachen wird gefolgt von sofortigem und langanhaltendem Speichelfluss. Dieser Tropfen bringt einen regelrecht zum sabbern und ist dabei extrem trocken von verkohlter Eiche, die auf kräftige Vanillenoten und eine feine Kräuterwürze trifft. Am Ende steht ein elend langes Nachglühen. Um diesen Bourbon mit ein paar treffenden Adjektiven zu umschreiben fallen mir spontan ein: herausragend, betörend, meisterhaft.

Natürlich kann man den Elijah Craig Barrel Proof auch problemlos durch Zugabe von etwas Wasser zähmen. Ich für meinen Teil trinke ihn gerne unverfälscht wie er ist, eben uncut, und nehme dabei auch gerne genannte Nebenwirkungen in Kauf. A propos Kauf – bei selbigem muss man für den Elijah Craig etwas tiefer in die Tasche greifen, als bei den drei zuvor beschriebenen Destillaten.

Um ein Ranking zur heutigen Verkostung möchte ich mich am liebsten drücken, da mich in der Tat alle vier Proben überzeugen konnten. Je nachdem wieviel man in eine Flasche Bourbon investieren möchte, ist unter den vier Beschrieben im Grunde für jeden Geldbeutel zwischen 20 und 65 Talern etwas dabei. Sehr gut bis herausragend sind sie in meinen Augen alle.



Quellen und weiterführende Links: