Von wohligen Kellern und dunklen Künsten: das war die München Spirits 2024

Das Tor zum Genuss

Gewohnter Austragungsort, bewährtes Format, viele bekannte Gesichter: so loben wir uns das und schwebten gerne wieder über die München Spirits!

Im Gegensatz zum letzten Jahr, als wir ob der vielen namensähnlichen Ansetzungen fast ein wenig verwirrt waren, herrscht mittlerweile Klarheit im Messe-Dschungel der hochgeistigen Getränke. Da gibt es die Finest Spirits, die wir früher so gerne beehrten, mittlerweile allerdings im völlig anderen - wie der neudeutsche Marketier gerne sagt - „Format“, Lokalität (im lauschigen Lokschuppen Zenith im Münchner Norden) und auch Strategie. Und dann gibt es eben die München Spirits, die unter der Ägide von Chefin Tanja Berthold in trauter Eintracht mit den Lokalmatadoren von den (keine Verwirrung beabsichtigt, aber erzielt) Munich Spirits (klingt ähnlich, kann man sich gut merken) die ursprüngliche Flagge nun im zweiten Jahr hochhalten: MVG-Museum, Fokus klar auf Whisky, Whiskey und bestenfalls benachbarte Getränke. Das funktioniert formidabel, davon konnten wir uns schon im Vorjahr überzeugen und in diesem Jahr mehr als bestätigen.

Das erzählen wir auch dem Kollegen von Radio Arabella, der nach eigenen Worten etwas kurzfristig mit seinem Mikrofon auf die Pirsch geschickt wurde und daher für unsere (ob qualifiziert, mögen andere beurteilen) Kommentare dankbar ist. Nach einem kurzen Willkommen, bei dem Tanja und Kompagnon Alexander Thürer vom Falstaff-Magazin nochmal ihre Ausrichtung erklären – klarer Schwerpunkt auf Whisky, persönlichen Kontakten, familiärer Atmosphäre – und berichten, dass man über 80 Aussteller gewinnen konnte (und später dürfem wir vermelden, dass es über 3.600 Besucher waren), darunter auch viele Spezialanbieter, das Gastthema Champagner und unabhängige Abfüller, starten wir zum ersten Rundgang. Nach einem Abstecher zu Mount Gay, wo man mit einem Zuckerrohr-Destillat direkt von Barbados mal so ordentlich rumkugeln kann, geht es gleich zum Messe-Partner von Laphroaig. Den stellt „de Mark, ich bin schwer in Ordnung“ Giesler gewohnt lautstark vor und kredenzt uns eine der neuesten Kreationen des Hauses: der Elements L 1.0 startet eine neue Serie, die auskunftsgemäß jährlich Zuwachs bekommen soll. Der Kollege wartet mit druckvollen 58,6% auf und verbindet harmonisch Noten von tropischen Früchten und dem Brennerei-typischen Rauch. Wie alt der Brand ist, bleibt ein Geheimnis – sei’s drum, dieser Trend scheint ja unaufhaltsam. Wir wandern weiter zum zweiten Messe-Partner Arran, wo die Insel der inneren Hebriden sich gleich zweifach vorstellt: der 10jährige Standard gefällt mit milden Aromen und goutierbaren 46%, aber auch der neueste Neuzugang in Form der zweiten Brennerei Lagg wird uns wärmstens an Herz gelegt. Wir sind ja folgsam und probieren gerne sowohl die Kilmory Edition (100% ex-Bourbon, 46%) und die Corriecravie Edition, die im Sherry Cask wohnte und mit mächtigen 55% auch ohne Nachhilfe eine eindrucksvolle Farbe zustande bringt. Natürlich schmeckt man diesen Vertretern ihre Jugend an, das war bei uns schließlich auch mal so vor langer Zeit, aber wir sind dennoch wohlwollend, danken artig und schauen dann später nochmal auf zwei andere Arrans vorbei. Nach einem kurzen Abstecher zur München Spirits Bar, wo das Thema „Home Drinking“ inklusive diverser Mixgetränke im Vordergrund steht (finden wir durchaus nachvollziehbar, auch ohne Bar) und einem schmucken Mixer namens Fairy Tale Old Fashioned (enthält Spuren von Laphroaig und Maker’s Mark) neigt sich der ernsthafte Teil dem Ende zu.

Jetzt aber genug der offiziellen Anlässe, wir steuern zielstrebig zu unseren Freunden vom Whiskykeller, wo Cheffe Andreas Hailer wieder seine Selektion von Berry Bros. zusammen mit seinen eigenen Abfüllungen unter dem Lords-Label im Gepäck hat. Wir vernehmen von der wie immer höchst sympathischen Crew nur lobende Worte über Organisation und Ausrichtung der Messe, bevor wir uns dann der Versuchsanordnung widmen. Zu bestaunen gibt es da unter anderem als neuen Lord of the Highlands einen Teaninich, der 13 Jahre auf der Uhr hat und sein Lagerleben in einem Weinfass, genauer gesagt einem Chateau Margaux (für Weinunkundige wie uns: einer der renommiertesten Bordeaux-Weine), beendete – was sich mit wuchtigen 53,9% in wunderbaren Anklängen an roten Beeren, Kirschen und Vanille niederschlägt. Daneben legen wir gerne einen Lord of the Speyside aus dem Hause Glen Moray, wo wir ja bei einer unserer Abenteuerreisen ein unvergleichliches Spontantasting erleben durften. Hier sind 59,2% und 14 Jahre Reifung zu konstatieren, die ein rundes Aroma von Früchten wie Apfel und Birne mit Karamellnoten wunderhübsch inszenieren. Wir sind wie immer restlos begeistert, blättern noch ein wenig durch das Whiskykeller-Buch mit vielen Anekdoten und flanieren dann weiter.

Fast schon laufen wir dabei an unseren Lokalmatadoren von St. Kilian (angesiedelt in Rüdenau und damit quasi in unserer Heimat) vorbei, aber die Aussicht auf ein paar Messe-Exclusives lockt uns dann doch (und ja, das Poster mit den Metal-Ausgaben mit Grave Digger und Judas Priest zieht uns natürlich magisch an, wir geben‘s ja zu). Auch hier schwelgt man wieder in Beifall für Organisation und Atmosphäre dieser Messe, wir schließen uns diesem Verdikt unumwunden an und probieren gerne den vierjährigen Oloroso (alle zusammen: ohlorrrrossso) gereiften Kollegen, der ohne Rauch, aber mit mächtigen 61% aufwartet. Natürlich hat man hier angesichts des zarten Alters noch einen Weg zu gehen, aber diese Ausgabe überzeugt uns durchaus mit der Sherry-typischen Trockenheit. Wir philosophieren ein wenig über die enorme Popularität der online-Tastings, zu denen sich streckenweise auch Grave Digger-Saitenheld Axel Ritt gesellt, und empfehlen uns bis zum nächsten Besuch, gerne auch mal wieder vor Ort im Rahmen einer Vatertags-Wanderung.

Jetzt aber nichts wie hin zu einem weiteren unserer liebgewonnenen Anlaufstellen: bei Bruichladdich empfängt uns Gazala gewohnt in bester Stimmung als ihre „Lieblings-Pressemenschen“ (warum, das wollen wir hier nicht weiter ausführen) und gibt uns in die kompetenten Hände ihrer Co-Standcrew, die den Reigen der Melodien in der Tat genauso schwungvoll präsentiert. Wir starten fast schon traditionsgemäß mit zwei Bere Barleys – die Serie, die die Gerste von den immer für einen Ausflug zu empfehlenden, leicht entlegenen Orkneys bezieht - aus den Jahren 2011 und 2012, beide in trauter Eintracht mit 10 Jahren Eichenfass und 50% im Gepäck aufwarten. Das ist beides wunderbar rund, fruchtig und am Ende auch schokoladig. So loben wir uns das, hübscher Einstieg, und damit uns niemand der Wiederholung zeihen kann, biegen wir dieses Jahr mal nicht mit rauchenden Colts auf die Straße nach Octomore ab, sondern frönen einer anderen Kostbarkeit des Hauses: finstere Künste praktizieren sie nämlich auch, die selbst so betitelten progressiven Brenner von den Hebriden, offenkundig sind sie wahre Alchemisten, denn unter dem vielsagenden Label Black Art kredenzt man in hübscher Regelmäßigkeit höchst geheime Schöpfungen des Master Distillers Adam Hannett. Bekannt ist dabei jeweils lediglich Alter und Stärke, aus welchen Fässern genau sich Logengroßmeister Adam bedient, bleibt im namensgebenden Dunkel. Wie die Kalmare sind auch die finsteren Gesellen pro Edition durchnummeriert, wodurch wir unseren Ausflug mit der Ausgabe 10.1 von 2022 genau beziffern können – eindrucksvolle 29 Jahre sind hier zu bestaunen, 45,1% schlagen zu Buche. Die wunderbar gestaltete Flasche wird geziert vom vielsagenden Pentagramm, wir stimmen innerlich einmal lautstark ein schmackiges „Shout At The Devil“ an und tauchen ein ins wunderbare Geschmackserlebnis. In der Nase vermerken wir zunächst viel Eiche, gepaart mit Frucht und Honig – das ist schon einmal bezaubernd.

Geschmacklich erlebt man hier, erwartungsgemäß und dennoch beeindruckend, eine unnachahmliche Kombination von Malz, Aprikosen, Vanille und Marzipan – nachgerade fehlen die Worte, diese Komposition zu würdigen, die lange mit Früchten und Kuchen nachhallt. Hossa! Das vergleichen wir doch mehr als gerne mit der Edition 11.1 von 2023, die als insgesamt siebte Ausgabe der Serie „nur“ 24 Jahre reifte (und damit aus Fässern stammen muss, die vor der Wiedereröffnung der Bruichladdich-Brennerei gefüllt wurden) mit 44,2% aufwartet und mindestens ebenso fulminant auftritt. Nach einem Hauch von Trockenfrüchten und Birne im Geruch lassen wir uns von den Geschmacksnoten beeindrucken, die zuckrig-süß an Kekse, aber auch an Pralinen und Kokos erinnern und in Christmas-Cake-Noten ausklingen. Mr Crowley himself wäre stolz auf diese dunklen Künste – wir sind restlos begeistert. Zum Abschluss darf natürlich ein Ausflug in die Rauchecke nicht fehlen, der Port Charlotte (jetzt wieder eingeschenkt von Gazala herself) überzeugt wie immer rundum, heute in den Ausgaben Islay Barley 2014 (7 Jahre im Eichenfass, Roland Kaiser wäre zufrieden, 50%) sowie PMC: 01 2013, einer Ausgabe der Cask Exploration Series, die erstmals in Pomerol Weinfässern nachreifte und mit wuchtigen 54,5% daher spaziert. Der Charlie-typische Rauch gesellt sich harmonisch-malzig mit Noten von Creme, Beeren und Eiche, was zu einem angesichts der Stärke überraschend milden Gesamterlebnis führt. Wir sind wie immer restlos begeistert und geloben, bei unserer kommenden Getränkereise auch wieder vor Ort bei den progressiven Alchemisten vorbeizuschauen. Man kennt sich ja.

Was auch für unsere Freunde von den Munich Spirits gilt: Szeneveteran Sebbes berichtet immer wieder gerne von seiner Teilnahme an einem der Messe-Rundgänge, die die Mannschaft hier nach wie vor anbietet und wärmstens zu empfehlen sind. Wir tauchen allerdings lieber gleich ein ins reichhaltige Angebot an wunderbaren Schätzen, die die Herrschaften wieder mit dabei haben. Gerne lassen wir uns inspirieren und holen uns in schwelgender Erinnerung an unseren Vor-Ort-Besuch einen Dram des Tropfens, den man bei Glen Scotia eigens zum Campbeltown Malts Festival 2020 (dem ersten virtuellen im Übrigen, dem Virus sei nicht gedankt) auflegte: die limitierte Ausgabe eines rauchigen 14jährigen, der nach Eichenfass-Lagerung noch 6 Monate ein Tawny Port Finish erlebte, bezeugt einmal mehr, dass mit dieser Mannschaft immer zu rechnen ist. In Fasstärke 52,8% tritt der Kollege kräftig an und überzeugt mit den Port-typischen Noten von Karamell, Toffee und roten Beeren, bevor sich der Rauch entfaltet. Und weil wir schon beim Whiskykeller bei dieser Adresse waren, fällt unsere Wahl zusätzlich auf einen Teaninich, hier in einer speziellen Abfüllung anlässlich des 15jährigen Jubiläums, den die Munich Spirits 2022 feiern konnten. Als Single Cask dürfen wir hier eine sinnigerweise 15jährige Ausgabe des Speyside-Vertreters genießen, die nach einem Leben in Hogsheads noch einige Zeit in Refill Sherry-Fässern nachreifen durfte und auf 314 Exemplare limitiert mit 56% in die Flasche wanderte. Wunderbare Süße und Trockenheit belohnen diese Entscheidung. In diesem Geiste fahren wir die beim Whiskykeller begonnene Reihe fort und schauen uns nun einen weiteren Glen Moray an, ebenfalls ein Speyside-Nachbar, dieses Mal eine 21jährige Ausgabe aus der Single Cask Collection, die schon 1990 gebrannt und 2012 nach Lagerung in Bourbon Hogsheads mit 55% in 109 Flaschen abgefüllt wurde. Wir ziehen den imaginären Hut ob der cremigen Karamell-Noten, erinnern uns nochmal gerne an die Zeit vor Ort (man sollte irgendwie morgen wieder hin), schauen nochmal beim Whiskykeller vorbei, wo wir uns noch eine wunderhaftige Sherry Cask Reifung aus dem Hause Berry als Mitbringsel sichern, und verlassen dann den Ort des Geschehens. Bis zum nächsten Jahr – wollen wir doch massivst hoffen!