Von distilled in Scotland bis zu made in Taiwan: das war die München Spirits 2023

20.01.2023 MVG Museum München

Man kommt ja schon fast durcheinander vor lauter Ansetzungen von feinen Geistern. Aber wir ließen uns nicht beirren und gehen auch mit der München Spirits auf hochspirituelle Weltreise.  

Also, wir versuchen das mal zusammenzufassen. Unter der Flagge Finest Spirits richtete das Team um Frank Boer einige Jahre lang eine rundum bewährte und beliebte Veranstaltung rund um hochgeistige Getränke aus. Dann wechselte diese Markenbezeichnung die Ägide und formierte sich unter gleichem Namen im September letzten Jahres an gleicher Stelle im MVG Museum. Das ging in Ordnung, ließ wohl allerdings bei einigen Schlachtenbummlern genügend Wünsche offen, dass sich die alten Fahrensleute wieder zusammenfanden und unter dem neuen Titel München Spirits ein Reboot des alten Formats unternahmen – klarer Schwerpunkt Whisk(e)y. Und das Ganze ist natürlich in keiner Weise zu verwechseln mit den Munich Spirits, der heimischen Club für Liebhaber und Kenner, der natürlich auch vor Ort anzutreffen ist. Alles klar und keiner hat‘s kapiert? Egal, wir spazieren am besten einfach hinein. 

Den Presserundgang eröffnet Tanja Berthold mit dem launigen Hinweis, dass wir uns doch aufs Wesentliche konzentrieren und ein paar Kleinigkeiten verproben wollen. Das finden wir lobenswert und folgen gerne zur München Spirits Bar, wo uns zunächst einmal Mark Armin Giesler (immer noch schwer in Ordnung) einen 10jährigen Laphroaig mit Sherry Oak Finish präsentiert. Der gefällt uns zwar mit seinen 48% und der Kombination der typischen honighaften Rauchnote mit der Süße von Oloroso-Sherry und dunkler Schokolade bestens, lässt aber leider den Nachfolgern wenig Chancen, wirklich zu glänzen: mit einer solchen Geschmacksbombe einzusteigen, macht das weitere Fortschreiten nicht unbedingt leichter. Dennoch sind wir dem folgenden Old Pulteney sehr wohl gesonnen: der 12jährige Standard (40%, Bourbon-Fässer) aus einer der nördlichsten schottischen Brennereien in Wick (der wir fest entschlossen sind demnächst einen Besuch abzustatten) kann mit der charakteristischen maritimen Noten mit Salz und Früchten. Ein handfester Kracher ist dann ein 17jähriger Arran: dieses Rare Batch Release wurde auf der Isle of Arran 2005 fabriziert, ruhte anschließend in Calvados-Fässern und wurde schließlich in Fass-Stärke mit 52,5% limitiert auf 4200 Flaschen abgefüllt. Der Brand überzeugt uns durch eine ganz eigene Note: Honig und Früchte verbinden sich mit dem typischen Calvados-Geschmack von trockenen Äpfeln zu einer ebenso komplexen wie gefälligen Mischung mit massivem Pfeffer-Einschlag. Wunderbar!   

Jetzt dürfen dann endgültig damit beginnen, was man in der Kindertagesstätte gerne als freies Spiel bezeichnet, und lenken die Schritte natürlich wieder zu unseren Freunden von Bruichladdich, wo uns Gazala wie immer bestens aufgelegt empfängt. Nachdem wir uns darüber verständig haben, wo der Stand letztes Mal aufgebaut war (ist vollkommen unerheblich, aber ich hatte natürlich die richtige Erinnerung), starten wir mit einem Organic 2011, der 11 Jahre in Eichenfässern verbrachte und mit 50% ordentlich mächtig daherkommt. Eine typische Bourbon-Reifung, mit hervorragend ausgewogener Würze und leichter Pfeffrigkeit präsentiert sich uns hier aus der Barley Provenance Serie. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Bere Barley 2012: mit 50%, 10 Jahre Eichenfasslagerung und der Bere-Gerste, die auf den wilden Orkneys wächst, entfaltet der Kollege hübsche Fruchtnoten, die sich in Schokolade und Gewürzen auflösen. In rauchigere Gefilde starten wir dann mit dem Port Charlotte SC:01 2012, bei dem das „SC“ für die Sauternes Casks steht, jenen französischen Weinfässern, in denen der Brand nach einer durchaus wechselhaften Lagerung in Bourbon- und Sherry-Casks zuletzt reift und so noch das Aroma des edelsüßen Weißweins tanken kann. Neun Jahre und 55,2% bringt er mit und gefällt durch den Charlie-typischen Trockenfrüchte-Rauch, der in Anklänge von Schokolade und englischen Keksen übergeht. Wir berichten noch kurz, dass die vormals aktuelle Delain-Sangesdame Charlotte Wessels im Tourbus passenderweise stets ein Fläschchen Charlie zur Hand hatte, uns dies beim Interview aber partout nicht kredenzen wollte – sei’s drum, wir schreiten nun weiter zum Tiefseetauchgang, bei dem die legendären Kalmare auf uns warten. Wir starten diese Runde mit dem Octomore 13.2, der allerersten komplett Oloroso-Sherry-gereiften Variante der 13. Ausgabe des berühmten Rauchmonsters, das uns hier mit 58,3% und 137,3 ppm entgegenschwimmt. Wir sind wie immer sprachlos, wie unglaublich rund und mild der Octomore trotz des meist zarten Alters (hier stehen gerade einmal 5 Jahre zu Buche) ins Glas kommt und uns in dieser Variante mit Noten von Orangenmarmelade, Trockenfrüchten und Pfeffer, wobei sich der sanfte Rauch mit den Früchten des Sherry verbindet. Ein echter Zungenschnalzer, den wir doch gerne mit seinem Kompagnon 13.1 vergleichen, der seine 5 Jahre Reifung im Bourbon-Fass zubrachte und bei gleichem Rauchgehalt sogar auf 59,2% kommt. Wir konstatieren hier sehr gerne zunächst karamellig-fruchtige Noten, die dann auf der Zunge hin zu einer Melange aus Holz-, Getreide- und Limettenanklängen schweben, die uns rundum begeistert. Als mehr als würdiger Vorgänger zeigt sich dann der 10.4 Virgin Oak: mit einer Lagerung von sage und schreibe drei Jahren in jungfräulichen French Oak Fässern lässt es dieser Vertreter mit 88 ppm in Sachen Rauchgehalt schon fast mild angehen, entfaltet aber mit dafür mächtigen 63,5% jede Menge Kraft, die in der Nase erst Schokolade und Tabak zaubern und geschmacklich dann ein Feuerwerk aus weichem Rauch und Malz abbrennen. Wir sind wie immer vollauf entzückt, danken Gazala durchaus herzlich und wandern weiter.     

Fernost-Kenner Sebbes besteht nun wort- und gestenreich auf einem Abstecher zu den Kollegen von Kavalan – immerhin sei der Port Cask Finish in der hübschen grünen Flasche sein Mittel der Wahl, wenn Besuch im Hause ist. Zumindest weiß ich jetzt, wer mir dieses nette Behältnis zum letzten Jubeltag schenkte, worauf wir uns dann vor dem durchaus gut dimensionierten Stand einfinden, an dem das Sortiment der Brennerei erstrahlt, die als erste Privatdestillerie Taiwans südöstlich der Landeshauptstadt Taipeh ihre Tore 2006 öffnete. Dass man auch in Ostasien das Handwerk versteht, zeigen diverse Auszeichnungen, die die Herrschaften in hübscher Regelmäßigkeit einheimsen, jüngst etwa den World Whisky Producer of the Year 2021 bei der International Spirit Challenge oder auch die Distillery of the Year 2021 bei der San Francisco World Spirit Competition. Insgesamt geht es im Sortiment sehr musikalisch zu: nachdem der vom Marco Polo des Whiskeys Sebbes angepriesene Concertmaster ja offenbar schon zu Hause steht, wählen wir doch lieber jeweils eine virtuose Darbietung eines Solisten, die in limitierten Einzelfass-Abfüllungen in Fass-Stärke jeweils eine gesonderte Reifung erfahren: genauer gesagt testen wir den Madeira Cask (57,8%, eine wahre Geschmacksexplosion mit Vanille und Karamell, wunderbar!), den Brandy Cask (ebenfalls 57,8%, für unseren Geschmack etwas zu pfeffrig) und den Port Cask (59,4%, zauberhafte Schokolade und Beeren) und können in Summe die Furore bestätigen, die diese Kollegen machen. Abschließend kredenzt man uns dann tatsächlich noch ein ganz besonderes Schätzchen: zum 40jährigen Jubiläum des geneigten Importeurs legte man eine wahrlich spezielle Edition vor. Ein Single Cask, der in ausgewählten Weinfässern (wie man uns verrät: Portwein und Bordeaux, exakt gesagt vollkommen ernst und ohne Scherz ein Rothschild Chateau Lafite – gewisse deutsche Humoristen lassen grüßen mit einem 64er Schlafit) ruhte und dann mit 56,3% streng limitiert abgefüllt wurde. Das erfüllt uns mit Ehrfurcht, wir nippen andächtig und danken auch hier artig.  

Nun aber los zu den Munich Spirits, bei denen Mailinglistenempfänger Sebbes vehement unsere Teilnahme an einem der nächsten Tastings fordert. Machen wir und versuchen uns hier zunächst an diversen Springbanks: zum einen wenden wir uns einem 21jährigen Single Cask Bourbon zu, der im Jahr 2014 auf 175 Flaschen limitiert mit 55,7% für einen Schweizer Abfüller in die Flasche wanderte. Gegen diese Königsklasse ist der 18jährige aus Campbeltown mit seinen 46% zwar fast schon benachteiligt, überzeugt aber immer noch durch seine Kombination aus 80% Ex–Sherry Fässern und 20% Ex–Bourbon Fässern, die für eine komplexe Mischung aus trockenen Früchten, Mandeln und angedeutetem Rauch sorgen. Großes Kino für Kenner!  

Jetzt aber flink die Schritte Richtung Séparée gelegt, wo schon die diesmalige Masterclass auf uns wartet: Gregor Nacke führt uns da durch ein buntes Programm von Schottlands ältestem unabhängigen Abfüller Cadenhead, dessen Niederlassung in Campbeltown wir auch schon vor Ort einen Besuch abstatteten. Eitel Sonnenschein herrscht allerdings nicht vollständig: die Cadenhead-Shops außerhalb von Großbritannien werden demnächst von der Versorgung mit neuer Ware abgeschnitten, damit also auch der Laden des guten Gregor, der sich nach eigenen Worten künftig anderweitig aufstellen darf und wird. Ob das die feine schottische Art ist und ob das dem Online-Erfolg oder eher einer heraufdämmernden Krise geschuldet ist, das lassen wir unbeantwortet und widmen uns lieber dem von Gregor ausgewählten Sortiment. Wir starten mit einem Invergordon, einem Lowland Single Grain, der – mit der bei Cadenhead üblichen Fass-Stärke - 60,2% auf die Waage bringt. Zum Thema Grain und Blend erläutert uns Gregor, das sei wie eine Spaghetti Bolognese: der Grain liefert die Basis, die satt macht, und die Single Malts bringen als Soße dann das Aroma. Nach diesem eher trockenen Kollegen gehen wir gerne zu einem 14jährigen Glentauchers mit 46% über, der durchaus zu gefallen weiß, während Gregor weiter aus dem Nähkästchen plaudert: die stark angezogene Nachfrage führte zu so mancher Blüte, neben den zunehmenden Abfüllungen ohne Altersangabe, die jeweils mit einer schicken Marketing-Story verkauft werden, gesellen sich auch Methoden zur schnelleren Reifung, etwa in Fassvarianten oder eben durch Nachreifungen, die schneller die gewünschte Farbe ergeben. Das muss nicht schlecht sein, aber der jetzt in Rede stehende 12jährige Glen Grant vermag uns trotz wuchtigen 63% nicht zu überzeugen: etwas glatt und flach kommt er daher und erinnert uns ein wenig an Obstler. Deutlich besser mundet uns da der krönende Abschluss mit dem 25jährigen Glenrothes, einer Sherry-Reifung mit 53%, die gebrannt 1997 nach zwei abschließenden Jahren im Sherry-Fass 2022 in 324 Flaschen abgefüllt wurde. Dieser Vertreter gefällt uns unumwunden und macht Laune, den guten Gregor auch am Stand zu besuchen, zumal er uns dort eine ganz besondere exotische Köstlichkeit ankündigt: und nein, damit ist nicht das Brettspiel „Maltfriend’s Journey“ gemeint, dass Würfelspiel-Afficionado Sebbes sehr erfreut zur Kenntnis nimmt, sondern ein echter Latino. Aus der Reihe „Cadenhead’s World Whiskies“ tritt uns nun nämlich ein Brand aus Brasilien entgegen, der in der dortigen Union Distillery (gelegen in Bento Gonçalves im Vale dos Vinhedos) hergestellt wurde, dann für 5 Jahre vor Ort in Campbeltown in einem ex-Bourbon-Fass ruhte und dann limitiert als Single Malt Brazilian Whisky in der „Individual Cask“-Serie in 258 Flaschen abgefüllt wurde. Hier beweist sich Gregors Mantra, dass Herkunft nicht alleine entscheidend ist: wir sind rundum entzückt vom vollen, runden Geschmack, den der Kollege mit seinen immerhin 58,4% entfaltet, mit vielfältigen Aromen, die von einem wunderbar eingebetteten Rauch in Szene gesetzt werden. Wir greifen hier beherzt zu, danken Gregor für die aufschlussreichen und vor allem ehrlichen Ausführungen und wünschen gutes Gelingen für die künftige Neuausrichtung. Schaut am besten mal vorbei: Cadenheads Whisky Market Cologne http://www.cadenheads.de/ 

Zu guter Letzt darf natürlich ein Besuch bei unseren alten Freunden vom Whiskykeller nicht fehlen. Andreas Hailers Team ist wieder in voller Mann- und Fraustärke vertreten und kredenzt uns einige feine Tröpfchen aus dem Berry Bros & Rudd Sortiment. Sehr fein kommt uns etwa ein Highland Park von 2002 entgegen, der auf dem Label etwas geheimnisvoll als “An Orkney Distillery” firmiert und schon einmal für Verzückung sorgen, bevor uns dann die 12jährige Christmas Edition des Linkwood aus Elgin mit 49,2% und feinen Sauternes-Noten (wir erinnern uns, das war dieser französische Süßwein) in Festtagsstimmung bringt. Und als ob wir noch nicht exotisch genug unterwegs gewesen wären, probieren wir auch noch einen Vertreter aus der Milk & Honey Distillery aus Israel. Mit zarten 4 Jahren (gebrannt 2018, abgefüllt 2022) kommt dieser koschere (ja, darauf legt man Wert!) Vertreter mit 64,2% mit ordentlich Wums (nicht Doppel) daher und mundet uns als Single Cask Ausgabe, die auf 275 Flaschen limitiert ist, dank wunderbarer Kirsch-, Espresso- und Schokoladennoten ganz wunderbar.  

Nachdem dieser kulinarischen Weltumrundung wahrlich nichts hinzuzufügen ist, begeben wir uns andächtig auf den Heimweg und sind schon gespannt, welche Variante der zahlreichen Ansetzungen die nächste Gelegenheit bringen wird.