Freche Früchtchen, bärenstarke Typen und süffige Exoten - Eine kleine Auswahl nachgereifter Whiske(y)s auf dem Prüfstand

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Heute haben wir wieder mal einen Gastbericht unseres treuen Kollegen und Connaisseurs Kai auf dem Programm. Viel Spaß damit…

Nach meinen Exkursen in die Karibik und die USA, führt mich meine Verkostungsreise nun endlich in die Heimat des Single Malt. Beim folgenden Tasting werden sechs nachgereifte Whisk(e)ys von den britischen Inseln verkostet – fünf Schotten und ein Quoten-Ire, die das Spektrum zwischen fruchtig-frisch und kräftig rauchig ganz gut abdecken.

Erster in der Reihe ist der Tomatin Legacy, ein No-Age-Whisky aus dem Niedrigpreis-Sektor, der es aber in sich hat, wie wir sehr schnell feststellen dürfen. Einen ersten positiven Eindruck liefert die wunderschöne goldgelbe Farbe dieses Einstiegs-Malts aus dem Hause Tomatin, der in amerikanischen Weißeiche-Fässern nachreifen durfte. In der Nase wirkt er frisch und fruchtig, was der Gaumen sogleich bestätigen kann. Da treffen deutliche Zitrusnoten auf einen Hauch von Eiche, was wohl der Nachreifung geschuldet ist. Ein wenig metallische Schärfe zeugt von der Jugendlichkeit des Tropfens, schmälert aber keineswegs seinen Genusswert. Der Abgang ist – auch klar für einen jungen Whisky – eher überschaubar und dennoch muss man einen vergleichsweise gelungenen Single Malt in dieser Preisklasse (wir sprechen von etwa 22 Euro) erst einmal finden. Nicht umsonst hat der Legacy seit 2013 eine ganze Reihe an Preisen gewonnen, darunter auch zweimal Gold und zwar 2013 in Stockholm und 2014 in San Francisco. Zudem hat Whisky-Guru Jim Murray in der 2016er Ausgabe seiner jährlich erscheinenden Whisky Bible satte 94,5 von 100 Punkten für diesen Single Malt springen lassen! Ich selbst habe den Legacy schon einigen Bekannten kredenzt, wo er durchwegs auf positive Resonanzen stieß und von den Probanden teils auch umgehend für die eigene Sammlung geordert wurde.

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Es bleibt frech und fruchtig, und zwar mit dem Glen Moray Port Cast Finish. Der überrascht zunächst mit einer sehr hellen Farbe, die eine Nuance Rose in sich birgt. Bei meinem ersten Nosing musste ich postwendend an einen Grappa denken, so stark versprüht der Malt seine traubig-fruchtigen Aromen. Dass er auf der Zunge ein wenig milder daher kommt, als eben noch der Tomatin, liegt wohl daran, dass er mit nur 40% Vol. ausgestattet ist. Dennoch spürt man auch hier sofort, dass es sich um einen noch jungen Whisky handelt. Aber das will nicht unbedingt was heißen, wie uns der Tomatin vor ein paar Minuten gelehrt hat. Das Portwein-Fass hat diesem Speysider jedenfalls einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Die Trauben-Noten finden sich nämlich nicht nur im Aroma, sondern auch im Geschmack! Leider schwächelt auch der Glen Moray ein wenig im Abgang, der Gesamteindruck bleibt aber absolut positiv. Für den Glen Moray Port Cask muss man ein wenig tiefer in die Tasche greifen, als beim Tomatin. Er ist aber in der Regel unter 30 Euro zu finden und läuft, nebenbei bemerkt, seinem 10-jährigen Kollegen, dem Glen Morray Chardonnay Finish, locker den Rang ab.

Soviel zum Thema freche Früchtchen. Beide Malts werden auch in Zukunft gern gesehene Gäste in meiner Bar sein. Durchaus auch als Aperitif geeignet, konnten diese jungen Burschen einen richtig guten Eindruck hinterlassen, auch wenn sie für Freunde schwerer und kräftiger Whiskys wohl weniger geeignet sind.

Diese Zielgruppe mag sich vielleicht an den beiden nächsten Schotten erfreuen, zwei richtig bärenstarke Typen, wie ich meine!

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Da ist zunächst der Talisker Port Ruighe, der mit 45,8% Vol. nicht nur in Sachen Alkoholgehalt seine Muskeln spielen lässt. Benannt wurde das Destillat nach dem Hafen Port Ruighe, ausgesprochen „Portree“, der im 19. Jahrhundert wichtigster Handelsstützpunkt der Isle of Skye war. Von hier kamen die Portwein-Fässer, in denen die Brennerei ihre Malts in den Anfangsjahren traditionell reifen ließ. Also quasi back to the roots. Die dunkle Bernsteinfarbe und die starken Raucharomen dieses Taliker regen schon den Speichelfluss an, noch ehe er die Lippen berühren darf. Bereits in der Nase spürt man eine leichte Fruchtigkeit hinter all dem Torf und ähnlich ergeht es einem bei der Verkostung. Da ist zunächst eine gewaltige Rauchwolke, verbunden mit der Taliker-typischen Schärfe und leichter Salzigkeit, die aber immer mehr von einer angenehmen Süße durchdrungen wird. Hier folgen die unterschiedlichen Eindrücke wie in einer Reihe aufeinander Wow! Ganz klasse! Beim zweiten Schlürfen ist die Frucht dann gleich von Anfang an mit dabei und verpasst dem Port Ruighe einen starken und interessanten Charakter. Der Abgang ist lange, mit Salz- und Eichennoten. Da denkt man zwangsläufig an ein Stückchen verkohltes Treibgut mit dicker Salzkruste, das vor langer Zeit am Stand der Isle of Skye angespült wurde. Absolut empfehlenswert für Freunde kräftiger und komplexer Single Malts und ein Kleinod aus dem Hause Talisker!

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Wir bleiben auf den Inseln an Schottlands Westküste und schippern von Skye hinüber nach Islay. Die Brennerei Lagavulin, deren 16-jährige Standart-Abfüllung wohl keinerlei Vorstellung mehr bedarf, liefert mit ihrer Destillers Edition einen starken Beitrag zur Classic-Malt-Serie des Konzerns Diageo- Heute in der Verkostung steht die Edition 2000-2016, batch no 4/505 mit 43% Vol. und nachgereift in Pedro Ximenez Sherry Fässern. Die Farbe dieses exklusiven Malts ist einen Tick heller als die des eben verkosteten Talisker. In der Nase findet sich natürlich an erster Stelle ganz viel Rauch, aber eben nicht beißend, sondern samtig weich und angenehm. Ein Duft, der nach kurzem Schwenken mit dem Glas den ganzen Raum erfüllt. So kennt man es vom Lagavulin. Auch auf der Zunge dominiert kräftiger Rauch, aber im Gegenteil zu Taliker ist der Lagavulin eben deutlich weicher. Da zwickt oder beißt rein gar nichts und der Abgang ist scheinbar endlos lange. Leider bleiben die Frucht-Noten bei dieser Destillers Edition, welche die Nachreifung erhoffen lässt, gegenüber dem Rauch doch deutlich im Hintertreffen, sind für meinen vielleicht nicht gut genug konditionierten Gaumen kaum wahrnehmbar und steigern die Komplexität dieser Abfüllung nur marginal. Nicht falsch verstehen – auch dieser Lagavulin ist ein erstklassiger Single Malt, der in einer ganz eigenen Liga spielt. Nur finde ich den Aufpreis von immerhin 30 Euro gegenüber der 16-jährigen Standart-Abfüllung hier nicht ganz gerechtfertigt.

Nach so viel Rauch und Volumen ist eine kurze Pause mit viel Wasser und Weißbrot angebracht, um den Geschmackssinn wieder auf Null zu setzen. Denn nun folgen noch zwei eher sanfte und süffige Destillate, die außerdem die eine oder andere Erinnerung an meine Rum-Verkostung wecken sollen.

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Dazu wechseln wir kurz den Schauplatz und machen die Bühne frei für den einzigen Iren, der heute unter die Lupe genommen wird. Der Small Batch Rum Finish gehört zur Core Range aus dem Hause Teeling, einer Brennerei im Herzen Dublins, die zurzeit mit einer ganzen Reihe interessanter Single Malts und Blended Whiskeys auf sich aufmerksam macht. Am Rande bemerkt: dieser Teeling ist der einzige Whisk(e)y in der heutigen Verkostung, der nicht kühlgefiltert ist und auch keine Farbstoffe enthält. Trotz seiner stattlichen 46% Vol. schmeichelt sich der Blended Whiskey, der schon in der Nase ein paar fruchtig-süße Eindrücke hinterlassen hat, im Gaumen so richtig ein. Samtig weich, wie es sich für einen Iren gehört, treffen hier Frucht und Karamell auf zarte Eiche und verbinden sich zu einem angenehmen Gesamteindruck, der bei nicht sonderlich langem Abgang allerdings auch recht schnell wieder verflogen ist. Süffig ist dieser Tropfen allemal, auch wenn er den ganz tiefen Eindruck nicht hinterlassen kann. Zudem vermisse ich die erwarteten Rum-Noten doch schmerzlich. Um diese zu bekommen muss man vielleicht den Teeling 15 Years Revival Rum Cask probieren, der gänzlich in Rumfässern reifen durfte. Der kostet allerdings auch knappe 100 Kröten und damit dreimal so viel wie der Small Batch Rum Finish.

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Zuletzt kommt der Balvenie 14 Years – Caribbean Cask, den meine Kollegen Sebbes und Holgi ja auch schon verkostet haben, auf den Prüfstand. Farblich ist er durchaus vergleichbar mit dem Teeling, wirkt in der Nase allerdings gleich eine ganze Ecke kräftiger. Ist ja auch satte 14 Jahre im Fass gelegen. Auf dem Gaumen spürt man zunächst einen typischen Balvenie – malzig, weich und karamellig süß. Rund und ausgewogen. Erst ganz am Ende schiebt das Rumfass, in dem der Single Malt nachreifen durfte, ein paar eigene Geschmacksnoten hinterher, die sich aber nicht durchsetzen können. Ein ganz ferner Gruß aus der Karibik eben, der den mittellangen Abgang dieses Balvenie um eine Nuance bereichert. Klar – der Bursche ist 14 Jahre alt, die auch bezahlt werden wollen. Bei annähernd 60 Euro Einkaufspreis erfüllt allerdings auch der Balvenie meine Erwartung nicht so ganz.

Da könnte man glatt meinen, dass die Nachreifung in einem Rum-Fass einem Whisk(e)y nicht allzu viel Charakter mit auf den Weg gibt. Aber weit gefehlt. An dieser Stelle sei mir ein kleiner Blick über den Tellerrand erlaub, und zwar über den Atlantik bis nach Kanada. Beim 10-jährigen Pike Creek, der ebenfalls in Rumfässern nachgereift wird, kann man sich vor Zuckerrohr und Karibik-Flair nämlich kaum noch erretten. Gut -  der Vergleich mag vielleicht ein wenig unfair sein, da amerikanische und kanadische Whiskys einem Rum von haus aus etwas näher stehen, als ein schottischer oder irischer Malt. Wer jedoch nach dem Missing Link zwischen Rum und Whisky sucht, der wird beim Pike Creek definitiv fündig. Aber das ist dann wohl tatsächlich Gegenstand einer anderen Geschichte bzw. Verkostung ☺