Immer noch hart an der Kante zum gebrochenen Herzen: Vixen und Bottom Of This heben ab in Obertraubling

20.10.2018
Airport Obertraubling
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Als es weder die Welle noch überhaupt den Begriff female fronted gab, da zogen sie schon aus, die Männerdomäne zu erobern: Vixen bezirzten uns Ende seinerzeit mit ihrem Glam Hard Rock, dass es eine Art hatte. Wenn wir da nochmal einsteigen können, sagen wir gerne: Rev it up again!

Da standen sie also da oben, am 1. September 1990 in Mannheim auf dem Maimarktgelände, und schwenkten bei „Cruising“ Gitarre, Bass und Mikroständer im Gleichlauf - bei einem Festival, das unter der Flagge Monsters Of Rock außer ihnen ausschließlich aus männlichen Musikanten bestand. Beim Headliner Whitesnake wie auch bei Aerosmith und Poison drehte sich zwar auch alles um die Damenwelt, aber nur in den lyrischen Erzeugnissen – direkt ins Geschehen einzugreifen, das blieb Vixen vorbehalten, der einzigen all female Band der Glam-Szene (und mit Ausnahme der doch durchaus ruppigeren Girlschool der gesamten Rock- und Metal-Landschaft überhaupt). Mit ihrem poppigen, breitwandigen Sound eroberten sie MTV und die damals existenten metallischen Sendungen, in den Videos berauschte man sich an Giorgio-Moroder-Ästhetik, Lederhosen (nicht bayrisch), feschen Stiefeletten und meterlangen Mähnen, für die mehr Haarspray draufging als in allen 3-Wetter-Taft-Spots zusammen. Nach dem gleichnamigen Debut und der Folgescheibe „Rev it up“ gehörten Vixen allerdings alsbald zu den zahlreichen Opfern eines gewissen Schrammelkünstlers, der mit Holzfällerhemd in Seattle hantierte das ganze Glam-Metier in den Orkus schickte. Ebenfalls wie viele ihrer Kollegen erhoben sich Vixen allerdings wie der sprichwörtliche Phoenix aus dem Grunge empor und machten 1997 wieder erste zaghafte Gehversuche, wobei die Gründerin und Gitarristin Jan Kuehnemund erst einmal nicht mit von der Partie war. Die griff ab 2001 wieder selbst ins Geschehen ein und schmiedete 2012 Pläne für eine Reunion in der Originalbesetzung. Dazu kam es allerdings leider nicht mehr, da Frau Kuehnemund 2013 einem Krebsleiden erlag. Die restliche Band hielt die Fahne allerdings hoch und ging zunächst mit Gina Stile an der Klampfe auf die Reise, die dann 2017 von Britt Lightning abgelöst wurde. In dieser beinahe-Original-Inkarnation melden sich Vixen somit also nun auch in deutschen Landen zurück und beehren dabei auch die Oberpfalz, wo die launige Eventhall am Airport in Obertraubling (wir besuchten diese Stätte bereits bei der großen Ausspielung mit Anthrax) nach einer kurzen Pause wieder ihre Pforten geöffnet hat.

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Wir laufen sehr pünktlich vor Ort ein und konstatieren erst einmal, dass die Reihen ein wenig lichter sind als bei der Attacke der Mosher vor einiger Zeit. Das macht allersdings überhaupt nichts, die Stimmung ist durchaus bestens, als Bottom Of This loslegen. Der entspannt-bluesige Rock der Kollegen läuft angenehm rein und klingt bei Nummern wie „Up In Smoke“ teilweise nach den wunderbaren Black Crowes. Vor allem Sänger Mirko Laimer überzeugt mit seinem atmosphärisch-voluminösen Organ und informiert uns gut gelaunt, dass man aus Bayern komme, wie man ja höre. Stimmt. „Never mind“ und „Lie To Me“ heißen die weiteren Stücke, wobei man sich neben Eigenkompositionen gerne bei Genregrößen wie Joe Bonamassa, Stevie Ray Vaughan, Gary Moore oder John Mayer bedient. Das ist mal leicht funkig, dann scheint eine Ecke Country durch, in jedem Fall ist das ehrliche, handgemachte Rockmusik, was ja immer positiv zu vermerken ist. Wie auch das Schuhwerk: Gitarrist Markus Schiegl macht nämlich mit schmucken Lackanzugtretern einen schlanken Fuß. 45 Minuten, die im Fluge vergehen und die Herren in jedem Fall für weitere Einsätze empfehlen.

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Jetzt aber füllen sich die Reihen dann doch, man baut flugs um, und zwei Damen in verdächtig wallender Haarpracht packen sogar selbst mit an – wir haben sie ja schon länger nicht gesehen und tippen mal, dass wir die Protagonisten hier schon vor uns haben. Sehr pünktlich geht es dann um 21 Uhr los mit einem durchaus passenden Intro: „Fox On The Run“ von Sweet tönt da aus den Boxen (legendärerweise ja auch die erste Single der Scorpions, als Coverversion mit dem famosen deutschen Text „Fuchs geh voran“), ein exotische aussehender Herr postiert sich am Keyboard, und dann geht es standesgemäß in die Vollen: Roxy Petrucci legt einen ordentlich Drumwirbel vor, mit dem die Damen dann zu „Rev it up“ gleich mal ordentlich Gas geben. Britt Lightning an der Gitarre (komplett mit Fuchsschwanz) macht ihre Sache formidabel und sieht so aus, wie wir Vixen eigentlich in Erinnerung haben – das ist natürlich etwas unfair den anderen Damen gegenüber, die sich aber ihrerseits auch in jedem Falle noch sehen lassen können. Bei Basserin Share Pedersen stehen die Haare zwar nicht mehr so zu Berge wie 1988, aber den Tieftöner beherrscht sie immer noch tadellos – und ein schmuckes Faster Pussycat-Leibchen verweist auf die selige Glam-Zeit, die hier nochmals auflebt. Am Mikro lässt Janet Gardner keinen Zweifel daran, dass die stimmlichen Klippen auch hier und heute keinerlei Hindernis darstellen: ganz im Gegenteil kommt der Gesang kräftig und ohne Nachhilfe vom Band. Bei Frau Gardner sitzt auch die Haarpracht wie zu Zeiten der Videos, wodurch sich Beziehungsberater Dr. Bachmaier, der ja üblicherweise in unserer Schwesterpostille www.comicleser.de gute Empfehlungen erteilt, wieder einmal bestätigt sieht: Mädchen, schneidet Euch doch bitte nicht alle mit 40 plötzlich Eure schönen langen Haare ab – das gefällt uns nicht, auch wenn es angeblich so praktisch ist, also wundert Euch nicht, wenn wir dann weniger interessiert sind, wir laufen ja auch nicht auf einmal nur noch im Feinripp-Unterhemd herum. Hossa, was ein Auftakt, ich sehe mich zurückversetzt in die Zeiten, in denen ich des Nächtens auf finsteren Landstraßen unterwegs die Kassette in das - natürlich herausnehmbare – Deck schob (natürlich mit Auto Reserve!) und dann diesen Bombast-Rock zelebrierte.

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Weiter geht’s mit „How Much Love“, das genauso zu überzeugen vermag, bevor sie dann bei „Cruisin‘“ (das ich natürlich wieder als crusäään mitskandiere, eingedenk des gleichnamigen, hier ganz bestimmt nicht gemeinten Al Pacino-Krimis) in der Tat den Gitarren- und Bass-Schwenk von 1990 aufleben lassen. Wunderbar! Nun begrüßt uns Frau Gardner und fragt höflich, ob denn hier einige Bad Boys anwesend seien. Nachdem dies die Oberpfalz ist, bejaht man das wahrheitsgemäß, aber sind denn auch Bad Girls im Hause? Auch die gibt es hier wohl zu konstatieren, und für eben jene bringen die Damen nun das feine „Bad Reputation“. Auch eine Premiere hat Frau Gardner zu vermelden, als sie ins Publikum schaut: „Look, we have the first ever Vixen moshpit!“ Dass dies nur ein paar volltrunkene Kasper sind, die vom Konzert wohl eher weniger mitbekommen und permanent am Rande des Rausschmisses durch die Security entlangschliddern, das sagen wir ihr mal nicht. Mit dem wunderbar-epischen „Crying“ geht es weiter auf der MTV-Schiene, bevor Basserin Pedersen dann mal etwas loswerden muss: „I have to tell you, it was so hard getting here. Any other band would have given up. Planes were delayed, we had no shower. I think I am kind of smelly…but we are here in Germany!” Wir schätzen diese Ehrlichkeit und stellen fest, dass Frau Gardner irgendwie eine gewisse Ähnlichkeit mit JRs Angetrauter Sue Ellen aufweist – und dass der Lederdress inklusive der obligatorischen Stiefeletten durchaus ordentlich sitzt. Respekt! Jetzt wollen sie von uns wissen, welchen Song von „Rev it up“ man/frau denn seinerzeit niemals live gespielt habe. Nachdem der kluge Zuschauer natürlich die Setlist zur Hand hat, weiß ich, dass jetzt „Only A Heartbeat Away“ ansteht – das ist ganz ordentlich, aber gehört sicherlich nicht zur ersten Garderobe der Damen. Sehr heavy und groovy dann „I Want You To Rock Me“, in dessen Mitte sich sogar zwei kleine Einlagen verbergen: zum einen eine wahrhaft mächtige Version des Purple-Knallers „Perfect Strangers“ (so viel zum Vorwurf, die Damen seien nur Dünnbrett-Musikanten), zum anderen eine leider zu sehr in die Länge gezogene Fassung des alten Beatles-Kampfhunds „Come Together“.

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Eine neue Live-CD habe man im Gepäck namens „Live Fire“, so berichtet Frau Gardner nun, und da seien auch ein paar neue Studio-Tracks dabei – von denen wir nun „You Oughta Know By Now“ kredenzt bekommen, was gut gemeint ist, aber sicherlich nicht an die Glanzzeiten anknüpfen kann. Jetzt schnappt sich Share am Bass auch das Mikro und schmettert eine weitere Cover-Version: „I Don’t Need No Doctor“, das stammt ja eigentlich von Ray Charles, aber besser bekannt in Metal-Kreisen ist diese Nummer bestimmt in der Version des alten Rüpels Blackie Lawless – hier und heute bringt das leider ein wenig Leerlauf ins Geschehen. Aber das ändert sich gleich wieder radikal: „Love Is A Killer“ avanciert mit hervorragender Atmosphäre und vor allem herausragenden Gesang zum Highlight des Abends. Ganz großes Kino! Das neue „Big Brother“ geht in Ordnung, aber die Klassiker „Love Made Me“ und „Streets In Paradise“ ziehen natürlich mehr. „Good Night!“, wünscht uns Frau Gardner jetzt schon – aber natürlich weiß jeder im Saale, dass da noch etwas fehlt. Sie lassen sich auch nicht lange bitten, die Bass-Drum setzt mit den bekannten Schlägen den Ton, und dann lassen sie noch ihren größten Hit auf uns los: „Edge Of A Broken Heart“ (übrigens aus der Feder des 80er-Rockers Richard Marx) wird gebührend abgefeiert, wie sich das gehört. Wir sind äußerst erfreut, schwelgen noch ein wenig in Erinnerungen und verlassen den Ort des Geschehens dann flugs, aber nicht, ohne kurz die wunderbare Anekdote nochmals aufzurufen, die zu unseren all time classics gehört – der Moment nämlich, als einer unserer Mitstreiter in den CD-Verleih (ja, so etwas gab es damals, liebe Kinder!) stürmte und lauthals verkündete: „Ich will Vixen!“ Und das, so hat man heute wieder gesehen, gilt immer noch unverändert, so missverständlich es auch klingen mag.