Wir munkeln, trommeln und tänzeln im Dunkeln mit Beyond The Black und Ankor

05.04.2024 Tonhalle München
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Ja ist denn schon wieder Dunkelzeit? Kaum konnten wir die deutschen Symphonic Recken von Beyond the Black im Zenith (zusammen mit Amaranthe, die ja ebenfalls kürzlich wieder vorbeischneiten) bestaunen, machen sie erneut bei uns Station und wollen uns ihr durchschlagend erfolgreiches selbstbetiteltes Album nochmal vorstellen. Da sind wir doch gerne wieder dabei. Licht aus!

Eigentlich stibitze ich ja keine Wortspiele, aber das Beispiel, das mein Comic-Mitstreiter per Kurzkommentar zu unserem freitäglichen Ausflug kredenzt, kann man einfach nicht für sich behalten: bei Beyond the Black, das ist man eben immer auf der Haben-Seite. Da verblasst mein Kalauer, dass jeder irgendwann mal Jennifer Haben möchte, glatt. Und außerdem sind ja auch noch die Alternative-Könige von Ankor mit dabei, die Chef-Hüpfburg-Aufpumper Sebbo bei ihrer Sause im kleinen Backstage Club ja schon in erhebliche Wallung brachten. Also nichts wie hin – wieder in die Tonhalle, die sich langsam aber sicher zu unserem dritten Wohnzimmer mausert, so viele Backstage-Konzerte werden dorthin ausgelagert mittlerweile. Nachdem wir heute ein eher handelsübliches Billing mit „nur“ zwei Attraktionen zu verzeichnen haben, schaffen wir es dieses Mal sogar, rechtzeitig zum Einlass vor Ort zu sein und verzeichnen eine veritable Schlange quer durchs Werksviertel. Drinnen postieren wir uns dann wie stets rechts vorne, irgendwo neben einer dieser vermaledeiten Säulen, die das Sichtvergnügen durchaus zu Trüben in der Lage sind. Das Backdrop hängt schon, offenbar gestaltet für etwas geräumigere Säle: ein argloser Schlachtenbummler mag denken, die erste Kombo heiße „Anko“, so steht es jedenfalls zumindest augenscheinlich zu lesen.

Nun denn, sehr pünktlich um 8 geht die Abfahrt los, das kunterbunte Kommando springt auf die Bühne – und nachdem es ja der Tourauftakt ist heute, müssen wir komplett ohne Setlist auskommen und sind auf die Zurufe von Band-Intimus Sebbes angewiesen, um einzelne Titel zu benennen. Fronterin Jessie Williams aus Bristol stolziert einstweilen mit adrettem Kleidchen, bei dem man fast meinen könnte, Miss Moneypenny mische mit, zu den Alternative-Klängen ihrer Mitstreiter von Ankor umher und changiert dabei gekonnt zwischen Klargesang und Kreischattacken. Gitarrero Fito Martinez ist dabei nicht nur der offizielle Robbie Williams-Imitator, sondern betreibt laut Übungsleiter Sebbes auch „permanent Sport da oben“ – was absolut zutrifft. Schlagwerkerin Eleni Nota aus Griechenland bearbeitet die Felle derart rabiat, dass man angesichts der doch eher zierlichen Gestalt der Dame nur noch staunen kann, was bei Songs wie „Prisoner“, „Stereo“ oder dem titelgebenden „Darkbeat“ ganz massiv reinrauscht.

Das mit dem im Dunkeln Munkeln ist ja ohnehin Motto des Abends, dazu später mehr. Die ganze Truppe pumpt permanent die lokale Mineralwasser-Marke ab (sehr gesund!), während Jessie uns berichtet, man habe der Kombo immer vorgeworfen, keinen eigenen Stil zu haben – was man doch flugs im ironisch betitelten „Shhh…I’m Not Gonna Lose It“ mit dem flotten Kommentar „this is for the haters!“ zurückschleudert. Humor haben sie also auch, und auch wenn die Schnellkochtopf-Atmosphäre des Clubs nicht ganz erreicht wird, zeigt sich auch Genrepromoter Sebbes hochzufrieden. Ob Basser Julio López den Zug verpasst oder den Termin nicht aufgeschrieben hatte – dabei war er jedenfalls nicht konnten wir vor Ort nicht mehr ermitteln. Im Nachhinein hat sich ergeben, dass er, statt hier zu rocken, das erste Ankor-Baby in Empfang nehmen musste.

Die Umbaupause gestaltet sich dann etwas geheimnistuerisch, ein schwarzer Vorhang verdeckt das emsige Wuseln der helfenden Hände, die diverse Video-Leinwände sowie schweres Schlagwerk herbeirollen. Mangels Setlist können wir nur spekulieren, mit was es denn wohl losgeht – wir tippen ja auf den Opener des Albums „Is There Anybody Out There“, sie werden ja wohl kaum das Stück, das  der Tour den Namen gibt, gleich als Auftakt auspacken. Oder etwa doch? Von Konserve tönt zunächst mal das Sitar-Genudel „Paint It Black“ von den Stones, bevor dann – Pustekuchen, unverhofft kommt oft – das Percussion-Stakkato von „Dancing In The Dark“ ertönt.

Ob man einen Song überhaupt so nennen darf, das haben wir ja schon ausgeführt – geht eigentlich gar nicht, aber wenn die Nummer so knört und wenn sie vor allem Jennifer vorträgt, dann geht das ausnahmsweise in Ordnung. Aber wo ist sie denn, die Holde? Auf der Bühne postiert sich die Formation von Beyond the Black noch ohne ihre Chefin – denn die hat sich am Mischpult mitten in der Halle aufgebaut, haut buchstäblich selbst auf die massive Pauke und eröffnet so den Reigen. Nach Strophe Eins bahnt sich die gute Jennifer den Weg auf die Bühne, wo sie rechtzeitig zum Kehrreim anlangt – großes Kino, auch wenn die Abstimmung der Gesangsmikros noch nicht ganz passt, was nicht weiter schlimm ist, weil Gitarrero Chris Hermsdörfer (trotz stattlichen Körperbaus nicht zu verwechseln mit Chris Hemsworth) ja durchaus ebenfalls eine beachtliche Stimmgewalt sein Eigen nennt.

Jennifer selbst macht mit rotem Röckchen und dunkler Joppe mit Federschmuck wie immer einen schlanken Fuß, die Videoleinwände inszenieren abwechselnd Songzeilen oder atmosphärische Videos, die Instrumentalfraktion mit Saitenbieger Tobias Lodes (manch einer will hier einen entfernten Thomas Müller-Verwandten erkennen) und Schlagwerker Kai Tschierschky steht wie die buchstäblich Eins – so macht auch das eher heftige „Hallelujah“ durchaus Laune. „BtB“, wie man die Chose offenbar offiziell abkürzt, liefern live eben wie immer ordentlich ab und konterkarieren dabei die Tatsache, dass sie als zumindest teilweise gecastete, gerne mal im Privatfernsehen präsente Kombo durchaus ein „guilty pleasure“ sind, mehr als eindrucksvoll. Dann führt die Reise zurück in die Anfangstage: „Songs Of Love And Death“ zelebrieren sie standesgemäß, worauf sich „Not In Your Name“ (mit massiven Grunz-Attacken von Herrn Hermsdörfer) und „Wounded Healer“ anschließen, das auf der „Horizons“-Scheiblette von 2020 als Duett mit Elize Ryd daherkam – weshalb die Amaranthe-Frontfee nun auch folgerichtigerweise auf den Videoleinwänden erscheint. Spaßig, zumal die Dame vor ein paar Tagen ja auch in realiter in diesen Hallen weilte. Weiter im Takt geht’s mit dem aktuellen „Reincarnation“ (die Meute zeigt sich erstaundlich textsicher) und dem furiosen „Heart of the Hurricane“, bei dem Cheffe Chris ein schmackiges Solo ergänzen darf. Hossa! Das Zeitfenster dient offenbar dazu, dass Jennifer sich wieder am Mischpult am Keyboard platzieren kann, wo die Dame nun ein wunderbares „Wide Awake“ weitgehend Solo inszeniert. Da lässt es sich der Flitzefinger nicht nehmen, sich mit der akustischen Sportguitarre hinzuzugesellen und ein zauberhaftes „Human / Out of Ashes“ mit bezirzenden Vokalharmonien abzufeiern. Das nächste Stück sei ihr sehr wichtig, weshalb man es besonders aufwändig aufführen möchte, so informiert uns Jennifer nun: „I Remember Dying“ gerät in der Tat zum Epos, mit akustischem Anfang bis hin zur massiv orchestrierten großen Geste. Wunderbar und mehr als gekonnt! Jetzt kommt dann aber doch noch der Album-Opener zu Ehren: bei „Is There Anybody Out There“ hantiert Jennifer zwar nicht wie letztes Mal mit Neonröhren, stellt aber dennoch im kleinen Schwarzen eindrucksvoll unter Beweis, dass Elize Ryd vielleicht die Königin von Senkelhausen sein mag, die gute Jennifer aber mindestens die Bürgermeisterin von Senkelheim ist.

Nach „Beyond The Mirror“ feuern sie uns dann mit „When Angels Fall“ eines ihrer absoluten Glanzlichter entgegen, „Shine And Shade“ macht ordentlich Laune, aber die alten Kracher vom Schlage eines „Lost In Forever“ laufen nach wie vor am fulminantesten rein. Nach einer kurzen Pause tauchen sie natürlich nochmals empor, wobei uns die gute Jennifer mit Rabenflügeln zu „Free Me“ einen ordentlichen Krabat macht. „Horizons“ prescht überzeugend vorüber, aber die Frage, ob wir denn noch einen einzigen Song hören wollen, ist natürlich rhetorisch – klaro freuen wir uns noch über „In The Shadows“, die Nummer, die den Ball damals ins Rollen brachte, was in einem lautstarken Singalong gewürdigt wird. Wir huschen nach draußen, Modezar Sebbes wieder mit Zwischenstopp am Leibchenstand, den ich zugunsten eines kleinen Wegbiers entfallen lasse – wobei die Gastronomie in den Tiefen des Ostbahnhofs leider nicht mehr die legendären Züge (damit ein Wortspielpunkt doch noch für mich!) hat als zu den Zeiten, als das Werkviertel noch der gute alte Kunstpark war. Aber man darf ja in Erinnerungen schwelgen.