Halbe Burgen, grüne Kobolde und Werbehosen: wir reiten los mit Brothers of Metal, Gloryhammer und Beast in Black

19.02.2024 Tonhalle München
Fotos gibts hier

Halbe Burgen, grüne Kobolde und Werbehosen: wir reiten los mit Brothers of Metal, Gloryhammer und Beast in Black

Glory and the Beast! Unter diesem wohlklingenden Sammelbegriff warf sich uns eine wahre Phalanx des teils fantasievollen, teils schmackigen Power Metal in den Weg. Den Handschuh nahmen wir gerne auf – auf geht’s zur One Night in Tokyo in München!

Als wir in die Tonhalle einkehren (dem letzten verbleibenden Memento an den einst so lebendigen Kunstpark, der mittlerweile im restlos gentrifizierten Werksviertel samt seelenloser Eventlocations und Isarpreißn-Weißweinbars untergegangen ist – jammerschade), stellen wir fest: das „sold out!“-Zettelchen an der Abendkasse hat nicht zu viel versprochen. Der Laden ist inklusive Balkon proppenvoll, wir quetschen uns vorbei an Garderobe und Tränke und wuseln nach vorne so weit es eben geht, wo die alten Schweden von den Brothers of Metal schon derart Stimmung machen, dass es fast schon unanständig ist. „Das ist doch gar nicht erlaubt, bei der Vorgruppe derart mitzuklatschen!“, mahnt Etikettenhüter Sebbo an – der Laden tobt regelrecht. Die bunte Mannschaft oben, irgendwie in der Schnittmenge einer wildgewordenen Kelly Family und den Waltons, zeigt selbstbewussten Ganzkörpereinsatz, Sangesgrazie Ylva Eriksson haut die melodischen Hits rund um die nordische Mythologie am laufenden Band in die Menge – und das am frühen Abend. Wir lassen uns von zuverlässigen Schlachtenbummlern informieren, dass die Sause heute schon vor 19 Uhr losgetreten wurde, wodurch wir leider nur in den Genuss der letzten paar Nummern kommen – aber die haben es in sich, meiner Treu. Der Fotograben hat leider schon geschlossen für diese Abteilung, insofern bleibt uns nur zu konstatieren, dass diese zutiefst übertriebene, leicht selbstironische Form des True Metal massiv zündet. Hossa! 

Wusel wusel Umbaupause, im Publikum kommt es zum kollektiven Bettenwechsel (auch genannt „geh mal Bier holen, Du bist schon wieder hässlich“), den wir antizyklisch zum weiteren Aufrücken nutzen. Auf der Bühne der Tonhalle drängt sich ein veritabler Burgaufbau inklusive Tor, mit Schlagzeug rechts und Keyboard links oben platziert. Die Jungs von Gloryhammer meinen es offenbar ernst mit ihrem Spaß – wofür auch spricht, dass alsbald ein Pappkamerad hereingetragen wird, der niemand anderen als den einzig wahren selbsterkorenen „Nightrocker“ David Hasselhoff zeigt, während vom Band die legendäre Hymne „Looking for freedom“ schmettert, von der der Maestro dem Vernehmen nach ernsthaft glaubt, sie habe zum Mauerfall beigetragen. Es gibt hier das Motto: don’t hassle the Hoff!, wir sind amüsiert und lauschen der „Incoming Transmission“, bevor die Fantasy-Fraktion mit dem handlich betitelten „Holy Flaming Hammer of Unholy Cosmic Frost“ ins Geschehen einsteigt. Den Zeremonienmeister gibt ja schon seit einiger Zeit (genauer gesagt 2021) nicht mehr der originale Prinz Angus McFife – bürgerlich Thomas Winkler, mittlerweile unter eigener Flagge als Angus McSix unterwegs -, in dessen Rolle nun Sozos Michael aus dem Metal-Mekka Zypern schlüpft. Der ist in Stirnband und grüner Spandex-Hose unterwegs wie eine Mischung aus Andy Gibb und Robin Hood, trifft die hohen Töne formidabel – hat aber als reiner Power Metal Shouter leider nicht die gleiche Bandbreite wie sein Vorgänger, der ja auch etwas rauere Register anzuschlagen weiß. Sei’s drum, das Stück brettert ordentlich dahin, die Menge schwenkt aufblasbare Hämmer und Einhörner, wie es sich gehört – aber irgendwie gilt das Loriot-Motto leicht abgewandelt: vorher war mehr Stimmung. Irgendwie.

Solariumsbesucher Sebbo („endlich mal richtig Licht da vorne“, berichtet er vom Ausflug in den Fotograben) vermutet, den Herren laste vielleicht noch ein ausschweifender Abend nach: so richtig agil sind Paul Templing an der Gitarre und James Cartwright am Bass wahrlich nicht. Gleich an Position Nummero zwei setzt es dann den massiven Titeltrack des gesamten Konzeptes (mitsamt der unnachahmlichen Feststellung „Fly high into Space to charge my laser-powered Goblin smasher“), wir schmettern den „Glory! Hammer!“ nach Kräften mit und wollen begeistert sein. Klappt leider nur bedingt, siehe vorige Ausführungen. So zieht sich das dann auch durch, das Material ist einwandfrei, „The Land Of Unicorns“ feuert vorbei, inklusive einem in einen grünen Taucheranzug gewandeten Gesellen, der irgendwas zwischen Ork und Kobold darstellen soll und wahlweise Saxophon zu spielen vorgibt oder sich mit Angus prügelt, der immmer wieder den sprichwörtlichen Hammer rausholt. „Being Prince is a full time job!“, informiert er uns nun, und manchmal braucht auch er eine Pause: „Fly Away“ prescht ordentlich, und auch die Hymne „Angus McFife“ wird schmackig, aber halt nicht brennend heiß serviert. Zwischendurch gibt es immer wieder Spaß in den Backen: „you see we have brought a castle – today at least half a castle, obviously the room was not big enough”, feixt Basser Cartwright (ob er bei Bonanza mitmacht, bleibt offen) in bester Spinal Tap-Manier über den Bühnenaufbau. Robin Hood/Gibb Michael schwingt sich mit dem heftigen „Wasteland Warrior Hoots Patrol“ weiter durchs Programm, der lustige Kobold kehrt zu „Fife Eternal“ mit blauer Perücke und Damensangesparts zurück (immerhin stehen sie zu den Samples…), bevor uns Ponderosa-Chef Cartwright dann aufklärt: „Ladies and Goblins of Munich! Yesterday we went out, and our drum technician set a record as the world’s most drunken man!” Fall gelöst, Sebbo schwante richtig – wir nehmen das heute also mal als temporäre Formschwäche. An der Gitarre macht uns Herr Templing indessen weiterhin den Catweazle und Ziegenbart und Kapuze, das brachiale „Siege of Dunkeld“ donnert daher, gefolgt vom „Keeper of the Celestial Flame“ und dem unzerstörbaren „Universe on Fire“, das auf Konserve ja weitgehend ohne Gitarren auskommt. Nach dem nach wie vor aktuellen „Hootsforce“ feuern sie uns noch die „Unicorn Invasion of Dundee“ um die Ohren, bevor es dann zu den Klängen von „Rockin All Over the World“ ins Bettchen geht. Worüber sie wahrscheinlich gar nicht mal so betrübt sind.

Bettenwechsel nächste Runde – ihr wisst schon, alle wieder hässlich, Bier holen. Außer wir natürlich. Wir sind standfest und nehmen schon mal das Bühnenbild von Beast in Black zur Kenntnis, das irgendeine Art futuristisches Tokyo abgeben soll, komplett mit Pseudo-Schriftzeichen und einem genieteten „Beast Corporation“-Emblem – der nach wie vor aktuelle Langdreher „Dark Connections“ mit seinem Sci-Fi-Thema lässt grüßen. Nach einem standesgemäßen Cyberpunk-Intro mit Billy Idols „Shock to the System“ ballern die Herrschaften um Gründer und Cheffe Anton Kabanen massiv los und singen quasi alle Strophen des schönen Liedchens „Seht her, so wird es gemacht“: mit einer agilen Choreographie, Spielfreude und gesegnet mit Donnersound steigen sie in den „Blade Runner“ ein, den Fronter Yannis Papadopoulos mit seinem markanten Organ ordentlich inszeniert. Das röhrt und drückt, dass eine Art hat, der gute Yannis (gleiche Frisur, allerdings seit Neuestem mit kleinem Schnauzer) hat nochmals enorm an Bühnenpräsenz gewonnen, seine Stimmgewalt schindet Eindruck (nicht umsonst hat ihn Kabanen seinerzeit für seine Battle Beast-Nachfolgekombo als eine Art männliches Pendant zur guten Noora engagiert), und die Instrumentalfraktion legt ein Gitarrenballett an den Tag, das Accept und Judas Priest alle Ehre machen würde. Das gilt auch für die bunten Beinkleider, die man offenbar als Werbeflächen vermietet hat – Herr Kabanen führt z.B. einen funkelnden Kiss-Schriftzug spazieren. Anton schwingt die giftgrüne Gitarre, dräut ins Publikum und hat sichtlich Freude an der Arbeit – so macht das Laune und zündet so richtig. 

Nach dem ebenfalls noch aktuellen „Bella Donna“ kracht dann die Bandhymne „Beast in Black“ gehörig ins Kontor, ebenso wie die „Sweet True Lies“ zum ersten veritablen Hüpf- und Sing-Alarm führen. Lobenswertweise hat man in der Tonhalle mittlerweile auch ein Fenster gefunden, es geht ein Lüftchen, das auch bitter nötig ist. Auf der Bühne gibt Herr Papa im langen Ledermantel einstweilen den originalen Hüpfball, man jagt jede Menge Dampf umher (hoffentlich nicht um Nichts), und nach „Broken Survivors“ markiert dann der Titeltrack von Album Nummero 2 „From Hell With Love“ einen klaren Höhepunkt des Abends. Big Cinema! Nach einem stampfenden „Hardcore“ laden uns die Herren dann zum „Moonlight Rendezvous“, das wir doch gerne warnehmen und darüber sinnieren, dass wir hier ja quasi die Fassung von Battle Beast erleben, die Urgründer Kabanen eigentlich im Sinne hatte. Wir frönen beiden Fassungen gerne und lassen uns auch die folgenden Nummern wie „Zodd the Immortal“ (ob der abtrünnige General, der einem gewissen Kal-El das Leben schwer macht, gemeint ist, lassen wir offen) und „Ghost In The Rain“ treten das Gaspedal weiter durch. Zurück ins Total-Recall-Land geht’s dann mit dem „Highway to Mars“, bevor dann endgültig der Klassiker-Alarm auftritt. Katalogist Sebbes stellte ja im Vorfeld fest – man hört das selten aktiv und bewusst, kennt aber dennoch alle Stücke, was komplettamente trifft: „Blind And Frozen“ zeigt genau die Mischung aus Melodie und Schärfe, die die Kollegen hier mittlerweile zur Meisterschaft gebracht haben. „Die by the Blade“ zündet mindestens ebenso, bevor wir dann mit „One Night in Tokyo“ die Untermalung zum Bühnendekor erleben dürfen. Nach einem zünftigen „End Of The World“ ist auch end of Tonhalle angesagt – für heute, denn so lange diese kleine Oase hier weiter exisitieren darf, werden wir weiter am Start sein. Und freuen uns schon auf demnächst, wo wir dann Kabanens vorige Mannschaft erleben dürfen, mit der echten Noora, die sich schon angekündigt hat.