Unerträgliche Einflüsse: Chris Holmes macht uns den Bösen Mann im Backstage

12.12.2023 Backstage München

Mean Man in town! In anderen Worten: ex-WASP-Gitarrero Chris Holmes reitet bei uns vorbei. Da satteln wir doch gerne ab und setzen uns mit ihm an die Bar.

Ganz so ähnlich heimelig ist es nämlich heute im Backstage-Club, picke packe voll geht anders, aber der Maestro lässt sich nicht verdrießen und informiert uns in der Mitte des Sets, dass es doch mal diese seltsame Dokumentation über all die „pussy so called rockstars from LA“ gab, in der er seinen vielleicht berühmtesten Auftritt hatte: in „Decline of Western Civilization Part II: The Metal Years“ gab er 1988 „just a stupid interview“, in dem er im Pool auf einer Luftmatratze schwimmend vor den entsetzten Augen seiner Mutter eine Flasche Wodka herunterkippt (bald kamen Vermutungen auf, das sei alles gestellt und nur Wasser gewesen, egal). „People still come up to me and tell me this is their favourite part of the movie – I am just an unbearable influence!!” schwadroniert der Kollege unter Anspielung auf den Titel eines seiner Solo-Songs. Mitgemacht hat Holmes in seinem Leben wohl so ziemlich alles, was er uns heute abend auch freimütig erzählt: harte Jugend, getting totally wasted, auch mal Knast, dann die Karriere mit einem gewissen Blackie Lawless, von dem er seit dem letzten Ausstieg 2001 offenkundig nicht mehr viel wissen will („if you want to hear Lawless sing, go there, in my band I’m singing“ - ähem, dazu gleich mehr), saubere Abstürze, dann Einkehr, Krankheit und zuletzt Wiederkunft, nicht zuletzt dank seiner Ehefrau, die ihn auch auf die Bühne zurückbrachte (und heute abend auch mit dabei ist). Insofern darf man mehr als gespannt sein, was uns hier erwartet heute.

Zunächst aber absolvieren die Jungspunde von Harsh aus Frankreich einen ordentlichen Ausflug in 80er-Glam-Sleaze-Welt, in der ja auch der gute Chris groß wurde. Mit Nummern wie „End Up Alone“ oder „Fire At Will“ legen die Herren ordentlich los, Basser Julien Martin hat offenkundig sein letztes Hemd gegeben, und auch Sänger/Gitarrero Séverin Piozzoli marschiert immer wieder schnurstracks ins Publikum. Mit einem Disco-Cover von „Maniac“ (haben wir seinerzeit in Flashdance gehört, gelle) und einem ordentlichen Rausschmeißer in Form von „Johnny B. Goode“ absolvieren die Herren ihren Job mehr als achtbar.

Nach einer kurzen Pause kommt dann der Gastgeber durchaus unzeremoniös auf die Bretter, das Schlagzeug der Vorkombo nutzt man einfach weiter, und los geht’s mit „On Your Knees“, das auch Holmes ehemaliger Cheffe gerne zur Eröffnung nimmt. Natürlich sieht man dem Conferencier sein Leben an, er ist wohl froh dass er überhaupt noch da oben steht – aber er hat ein Ass im Ärmel: Energie und Spielfreude, die seinem ehemaligen Arbeitgeber in den letzten Jahren stets abging und in den letzten Konzerten vollends abhanden war, als Blackie dann massiv Rücken hatte. Herr Holmes hingegen hat nach wie vor die Tänzelmoves, die wir schon weiland im Volksbildungsheim in Frankfurt bei der Headless Children-Tour bestaunen konnten, und er hat zum anderen eine Schärfe in den Riffs, die es in sich hat – und es beschleicht uns die Ahnung: so also hat das mal geklungen, damals im Whisky a Go Go oder im Troubadour, als Blackie und Chris auszogen, noch schockierender zu sein als ihr ehemalige Mitstreiter Nikki Sixx.

Da ist es uns reichlich egal, dass die Sangesleistung von Basser Pascal Bei, der die WASP-Nummern singt, und vom Meister selbst, der sich bei eigenen Nummern wie „Get With It“ oder „Let it Roar“ selbst ans Mikro schwingt, durchaus gewagt sind – wohlig emotional ist die Chance, die alten Gassenhauer nochmal in dem räudig-ruppigen Soundgewand zu erleben, die sie in den Anfangstagen hatten. In dieser Form sind wir auch beim eigentlich totgenudelten „Love Machine“ enthusiasmiert, und „Sleeping in the Fire“ strahlt mit feurigem Solo voller Kraft. Die eigenen Nummern von den Scheiben „Nothing to Lose“ und „Shitting Bricks“ schlagen stilisitsch natürlich in die gleiche Kerbe, fallen teilweise etwas ab („Playing with Fire“ ist eher schwierig), aber dann krachen immer wieder die ruppig rausgehauenen Klassiker wie „Blind in Texas“ („this song is about me getting totally wasted“, ach was) und das eigentlich aus Zeit gefallene „Animal (Fuck Like A Beast)“ derartig ins Kontor, dass wir das gerne übersehen. Durchaus launig erklärt uns der Maestro nun auch, wie er zur Setlist kommt: als er vor 8 Jahren die Kombo Mean Man startete, hatte er gar keine WASP-Nummern im Programm, „but when I played one, you seemed to like it“ – so schauts aus, und deshalb bleibt als einzige Frage nur: warum bringt er nicht auch Titel, die beim Original lange nicht mehr gehört sind, angefangen von seiner eigenen Hymne „Mean Man“ über den „Last Command“, den „Heretic“ oder auch „95 Nasty“? Das würde der Chose doch die Krone ins Gesicht setzen – wir hoffen mal, dass das noch kommt bei künftigen Gastspielen. Während wir amüsiert zur Kenntnis nehmen, dass der Schlachtenbummler mit dem metallsten Shirt ever, „Abenteuer Spielplatz Neuhausen“, wieder am Start ist, kredenzt uns der gute Chris zum Abschluss noch ein Potpüree aus Covern von Titeln, die ihm selbst am Herz liegen, „Born to be Wild“, „Rockin in the Free World“ und als Rausschmeißer „Highway to Hell“, bevor wir dann in unserer kleinen, aber begeisterten Belegschaft den Ort des Geschehens verlassen und keinen Zweifel haben: We still call him the blonde bomber!