Drei Elfen und zwei wilde Feen: Beyond the Black, Amaranthe und Ad Infinitum treffen die Butcher Babies

31.10.2022 Zenith München

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Als Co-Headliner-Tour war dieses mächtige Paket ausgeschrieben, bei dem einige der namhaftesten Formationen aus der female fronted-Ecke auf die nachgeholte Reise gehen. Und wenn dabei auch noch eine durchaus andere Gangart mit am Start ist, sind wir natürlich wieder mit von der Partie!

Also, so langsam gewöhnt man sich fast an die frühen Zeiten, wie schon vor zwei Tagen stehen wir wieder um 17:30 vor dem Zenith, wo die Einlass-Schlange durchaus beachtliche Dimensionen annimmt. Allerdings habe ich meine Hausaufgaben wohl nicht zur Gänze erledigt: als ich von den kommenden drei Attraktionen schwärme, berichtigt mich mein mit angereister Schlachtenbummler (der den heute anderweitig verpflichteten Sebbes mehr als würdig vertritt) sachkundig, dass wir heute ja auch noch die gute Melissa bestaunen dürfen. Die kennen wir ja mehr als gut aus dem launigen Video zur Feuerschwanz-Version des alten Gassenhauers „Warriors Of The World“, aber heute beehrt uns Frau Bonny mit ihrer eigentlichen Formation Ad Infinitum. Ich verguß.

Die Eidgenossen entern – pünktlich, man bleibt auch hier dem neuen Format treu – um 18:10 die Bühne. Was mal als Soloprojekt der Frontgrazie begann, hat sich in der personellen Besetzung mit Adrian Theßenvitz (Guitarre), Korbinian Benedict (Tieftöner) und Niklas Müller am Schlagwerk zu einer veritablen symphonic metal-Kombo gemausert, die hier und heute mit „Unstoppable“ gleich ordentlich einsteigt. Frau Bonny im schicken Gefächsel schwingt dabei behende einen beleuchteten Mikroständer, den sie sich offenbar von ihrer Kollegin Charlotte Wessels geliehen hat (die Dame braucht so etwas zumindest für Delain ja leider nicht mehr), und stellt unter Beweis, dass sie nicht nur lieblich säuseln, sondern auch ordnungsgemäß grunzen kann. Das läuft alles wunderbar rein, „Into The Night“ und „Afterlife“ werden durchaus abgefeiert, bevor uns Frau Bonny dann informiert, dass man zum jetzt präsentierten neuen Stück „Somewhere Better“ ein Video mit Liveszenen der Tour fabrizieren möchte. Wir strengen uns an, damit das auch eine ordentliche Kulisse wird, und verabschieden die Gute nach „Animals“. 30 wunderbare Minuten, gerne bald wieder, und falls möglich auch etwas länger!

Jetzt wird flink umgebaut, große Bühnendeko ist Fehlanzeige, aber die ist auch gar nicht erforderlich. Denn nun setzt es die akustische Form einer schmackigen Prügelei: herein hüpft ein ordentlicher Mummenschanz, der den ersten Song „Korova“ in Bettlaken gehüllt vorträgt. Happy Halloween, everyone! Bei „Igniter“ fliegen die Fetzen allerdings weg, und Carla Harvey und Heidi Shepherd hüpfen, rennen, grunzen und kreischen um die Wette. Die Butcher Babies kredenzen das, was sie selbst mal als „Slut Metal“ beschrieben haben: das Ganze klingt, als ob Five Finger Death Punch komplett knülle Vollgas geben. Eine wilde Mischung aus Punk, Metal, Thrash, Metalcore, Groove und Rap wälzt sich da vorbei, die beiden Frontgrazien (ihres Zeichens früher in TV- und Radio-Moderations-Diensten eines bekannten Herrenmagazins, soso) scheinen ihre diebische Freude daran zu haben. Heidi – mit dem schelmischen Beinamen „The Butcher“ bedacht – schaut dabei in Spandexhose und Plusterjacke aus, als ob die 90er in ihrer ganzen White Trash-Glorie auferstanden seien, während Carla offenbar ihrem Göttergatten Charlie Benante ein Leibchen aus dem Schrank entwendet hat. Passt aber durchaus, da ja auch bei Anthrax Metal und Rap aufeinandertrafen. Mit „Monsters Ball“, „The Butcher“ und „Gravemaker“ geht es weiter voll auf die Zwölf, Gitarrero Henry Flury feuert Riffs am laufenden Band, die beiden Fleischereifachverkäuferinnen grunzen um die Wette - und plötzlich schleichen sich auch mid Tempo-Elemente ins Geschehen, bei denen durchaus melodische Momente zu konstatieren sind. Zu „Yorktown“ möchte uns die gute Heidi dann mit auf Urlaub nehmen und ruft dann noch den allgemeinen Hüpfalarm aus. Nach „Sleeping With The Enemy“ schließt sich noch die ultimative Feelgood-Hymne „Best Friend“ an, zu der uns die beiden versichern, dass sie natürlich BFFs sind, best friends forever (and ever). „Magnolia Blvd.“ setzt dann um 19:30 den Schlusspunkt unter 40 wahrlich wilde Minuten. Hossa!

Erst mal durchatmen, wir stellen uns kurz die Preisfrage, wer denn bei dieser Co-Tour heute den endgültigen Headliner macht, was durch das aufgezogene Backdrop rasch beanwortet ist: Amaranthe gehen an den Start und tun das mit einem feschen „Fearless“ auch gleich mit Gusto. Musikalisch ist wie immer alles im Lot, der treibende Sound mit elektrischen Einsprengseln zündet sofort, in den ersten Reihen (wo sich diverse Einhörner und sonstiges Viehzeug finden, auch im Publikum feiert man Halloween) bricht Begeisterung aus, als Zeremonienmeisterin Elize Ryd hereinspaziert und auch uns wie stets entzückt. Mit engem Beinkleid, Lederjäckchen und dem obligatorischen Zopf schwingt sie das (ebenso beleuchtete) Mikro, stellt sich immer wieder wie alle Bandkollegen mitten in die ausgiebig aufsteigenden Rauchsäulen (immerhin ist Halloween, und mit dieser Art Dampf bringt man im Gegensatz zu manch energiekritischer Einschätzung eben doch etwas voran) und erfreut sich sichtlich am enormen Zuspruch. Insgesamt scheint jedoch etwas Bedenken aufgrund akuter Hochwassergefahr zu bestehen: alle Frontgrazien tragen apartes, wahlweise kurzes Beinkleid versehen mit massiven Stiefeln, die ausnahmslos permanent auf den wohl für diesen Zweck aufgestellten Kisten vorgeführt werden.

Wir stimmen dem unumwunden zu und freuen uns über ein wunderbares „Viral“ sowie ein treibendes „Digital World“, zu dem Elize dann das Jäckchen von sich wirft und von da an im massiv glitzerigen Katzenanzug agiert. Hui! Nebenbei wird auch der Haarrotor immer wieder angeworfen, an der Grunzefront liefert der Nachfolger von Henrik Englund Wilhelmson (der sich ja Mitte des Jahres verabschiedete) ganze Arbeit, und Goldlöckchen Olof Mörck zeigt sich bei „Hunger“ und „Find Life“ auf der Höhe des saitenbiegerischen Geschehens. Wunderbar immer wieder vor allem auch die Gesangskonstruktionen, die mit 2x Clean (1x Elize, 1x Nils Molin) und 1x Grunz versiert jonglieren. „Make It Better“ gefällt ebenso, und auch das auf Konserve als Duett mit Battle Beast-Zirkusdirektorin Noora Louhimo eingezimmerte „Strong“ zündet auf ganzer Linie. „Helix“ und „Maximize“ drücken das Gaspedal weiter durch, bevor dann „Crystalline“ von der immer noch aktuellen „Manifest“-Scheibe bedächtig-balladesk daherkommt und Elize sprichwörtlich ihr Haar für uns herunterlässt. Vollends furios gelingt dann ein krachiges „Dynamite“ sowie „Nexus“, aber nun folgt das unbestrittene Hochlicht des Abends: die wunderbare Weise von der „Amaranthine“ zelebrieren sie nachgerade, und wir sind schlichtweg nur gerührt. Big cinema! Nach dem schnellen „Call Out My Name“ ist erst mal Schluss, aber alsbald kommt man wieder zurück – und offenbar gibt es Entwarnung an der Hochwasserfront, da die gute Elize nun in Kleidchen und High Heels firmiert. Zu „Archangel“ geht es nochmal zur Sache, „That Song“ stampft alles nieder (und wird mit kurzen „We will rock you“-Anleihen verziert), bis dann ein massives „Drop Dead Cynical“ den Reigen schließt. Heißa, was eine Abfahrt! Das war tight, hat ordentlich gekracht und hat einfach nur Spaß gemacht. Bis bald – und dann bitte auch hier etwas länger, es ist erst 21:05…

…aber jetzt ticken die Minuten doch etwas zäher herunter, man bereitet sich auf der Bühne emsig auf die finale Attraktion vor, aber es dauert dann doch bis 21:50, bis das deutsche Symphonic Aushängeschild Beyond The Black mit „Is There Anybody Out There?“ ins Geschehen einsteigt. Frontfrau Jennifer Haben hat dabei offenkundig weniger Hochwasserangst als Bedenken einer mangelnden Beleuchtung und schwenkt daher eigenhändig zwei große Neonröhren. Das schaut schick aus, der Sound knallt sehr veritabel – das macht doch gleich mal Laune. Üblicherweise bin ich nämlich nicht ein gerade glühender Verfechter der Kombo, die böse Zungen bisweilen in die Ecke der Reißbrett-Formationen stellen – heute Abend liefern die gute Jennifer und ihre Mitstreiter derartig ab, dass alle Kritikaster verstummen dürften. „Lost In Forever“ geht gut nach vorne ab, „Songs Of Love And Death“ überzeugt mit mächtigem Singalong-Alarm – fein. Gitarrero Chris Hermsdörfer grunzt ordnungsgemäß mit, und auch die restliche Instrumentalfraktion wirft sich gehörig in die Bresche.

Zu „Human“ setzt Frau Haben ein kurioses Horn-Helm-Dingens auf, das auch Sharon den Adel von Within Temptation stehen würde, bevor man dann ein bislang unveröffentlichtes Stück zum Besten gibt: zu „Dancing in the Dark“ (ob sich da der gute Bruce kein Titel-Copyright eingetragen hat?) haut Frau Haben selbst durchaus virtuos buchstäblich auf die flink hereingetragene Pauke – eine ordentliche Percussion-Einlage, die das gelungene Stückchen mehr als passend untermalt. Das Titelstück der „Heart Of The Hurricane“-Scheibe zündet ebenso mächtig wie das nun folgende „Winter Is Coming“ (stimmt im Moment, in beim Thronspiel stimmt das ja immer), wobei Frau Haben in immer neuen feschen Beinkleidern auch optisch Glanzlichter setzt und auch die Neonröhren wieder schwenkt, was mich irgendwie an den seligen Minicomputer Senso erinnert, der Anfang der 80ern die heimischen Kinderzimmer eroberte. Jetzt setzt es dann noch eine sehr angenehme Überraschung: zu „Make It Better“ stolziert die gute Elize nochmals auf die Bühne, womit wir auch live in die standesgemäße Interpretation dieser Kooperation kommen, die rechtzeitig zur gemeinsamen Gastspielreise im Herbst diesen Jahres eingezimmert wurde. „When Angels Fall“ mausert sich wieder zum atmosphärischen Highlight, voller Epik und sehr passend eingefügter Grunz-Begleitung, „Shine And Shade“ nutzen wir nochmals zum allseitigen Hüpfburgeinsatz, bevor dann der alte Gassenhauer „In The Shadows“ erstrahlt und ein wie immer krachiges „Hallelujah“ das Set beschließt. Bei Arch Enemy am Freitag haben wir ja schon festgestellt, dass der einzige kleine Wermutstropfen die etwas knapp bemessene Spielzeit war – das ist hier wieder zu konstatieren, die 70-Minuten-Marke kratzen wir gerade so. Vielleicht liegt das ja daran, dass das Zenith auch irgendwann zu machen will? Unwahrscheinlich, immerhin ist ja Halloween. Sei’s drum, wir empfehlen uns für heute, singen nochmal „Amaranthine“ und freuen uns schon auf weitere Ausspielungen mit Katzenanzügen, Gummistiefeln und Hornhüten.