Hausbesuch in der Stadt-Brennerei: wir schauen vorbei bei Glenkinchie

2018-12-17_14-42-05.jpg

Wenn einer Reise tut, dann kann er nicht nur Wasser zählen, sondern auch Brennereien. Auch wenn die Anzahl wie im Falle Edinburgh (noch) überschaubar ist: in nächster Nähe zur eleganten Metropole am Firth of Forth findet sich der Lowland-Malt Glenkinchie. Und weil wir eh schon da sind…

…steigen wir doch gleich in den Shuttle-Bus, der uns unweit des Balmoral-Hotels in der Nähe der Waverley Station aufsammelt (Hinweis von Dr. Bachmaiers Beziehungsberater: mit einem Afternoon Full Tea in dieser schmucken Absteige kann man massiv Punkte sammeln!). Nach einer pittoresken Fahrt in Richtung Südosten durch diverse Vororte langen wir nach einer guten halben Stunde bei Glenkinchie an, was sich schon optisch von den uns ja durchaus bekannten Highland-Vertretern unterscheidet: einen Kiln suchen wir vergeblich, und auch sonst scheint die Anlage eher einem anderen Stil entsprungen. Das erklärt uns Natalie, die uns zu unserer (wie wir entzückt feststellen) exklusiven Führung abholt, doch gerne: wir haben es hier mit einem viktorianischen Backstein-Bau zu tun, den man 1825 errichtete und seitdem emsig betreibt. Irgendwann landete man wie nahezu jede Brennerei in der umfänglichen Diageo-Gemeinde, wovon noch zu sprechen sein wird. Erst einmal führt uns Natalie vorbei an einem längst außer Betrieb befindlichen Ofen – die Gerste wird auch hier verarbeitungsfertig angeliefert (immerhin spart man sich so die Monkey Shoulder vom ewigen Wenden). In den mächtigen mash tuns aus Stahl werden pro Tag 18 Tonnen barley in 70.000 Litern eingeweicht – beeindruckende Zahlen, ebenso wie die Tatsache, dass gerade einmal acht Personen die ganze Anlage bedienen.


Computer-unterstützt, wie wir sehen. Aus alten Zeiten hängt an einer Treppe noch eine große Glocke, die ich auch lautstark betätigen darf: die dramming bell rief die Arbeiter zum wohlverdienten Umtrunk, der vormals noch zum Lohn gehörte. Wir gehen weiter zu den sechs washbacks, in denen man den Gärprozess 88 Stunden laufen lässt, bevor wir dann im stillhouse die beiden durchaus massigen Brennblasen bewundern: wuchtig sind sie, in ähnlichen Dimensionen nur noch bei Auchentoshan in Glasgow anzutreffen, allerdings eher gedrungen und kurz, mit deutlich abfallenden swan necks, was zu einem eher kräftigen Charakter des Brands führt. Wieder hinaus freuen wir uns schon auf die warehouses, wo wir allerdings buchstäblich ins Leere blicken: denn die ehemaligen Lagerräume sind leergefegt. Der „große Bruder“ aus dem Diageo-Stall, Johnny Walker, macht sich langsam aber sicher deutlich breit, wie wir zur Kenntnis nehmen müssen. In Edinburgh soll direkt auf der Flaniermeile Princes Street ein Besucherzentrum entstehen, in dem man zur Johnny Walker-Experience lädt, die dann hier vor Ort stattfinden soll. Das mussten wir unlängst ja auch schon bei Glenturret erleben, wo man sich unter der Flagge der Famous Grouse präsentieren musste (was dort wohl allerdings schon wieder ein Ende gefunden hat).

Ob man das gut findet, lassen wir einmal dahingestellt, die Glenkinchie-Fässer lagern jedenfalls in erster Linie in Fife rund um Edinburgh, weshalb vor Ort keinerlei Reifung mehr stattfindet und nur noch ein trauriges showcase-Fass zu sehen ist. Wir lassen uns davon allerdings nicht verdrießen, sondern begeben uns in den hübschen Tasting Room, wo nicht nur ein fescher Weihnachtsbaum, sondern auch die drams der Expressions Tour auf uns warten. Nur 8% der gesamten Produktion fließen in single malt Abfüllungen, erklärt uns Natalie, der Rest wandert in die marktgängigeren Blends vom Schlage Johnny Walker, Dimple und Konsorten. Wir lassen uns nicht beirren, lassen den zur Ansicht bereitstehenden New Make links liegen und starten mit dem Standard der Brennerei, dem 12jährigen, der mit 43% daherkommt und die typischen Lowland-Noten von Zitrone, Gras und Vanille aufwartet. Ein schöner dram, den Natalie treffend als Breakfast whisky – also täglich goutierbar – beschreibt. Spannender wird es da schon beim Double Matured Distiller’s Edition, die 2004 gebrannt und 2016 abgefüllt wurde. Wir haben es somit mit 12 Jahren Reifung zu tun haben, bei denen handverlesene Amontillado Sherry Casks zum Einsatz kamen. Das Ergebnis ist (ebenfalls bei 43%) erwartungsgemäß vollmundig und kräftig – eine echte Entdeckung, die wir gerne mit nach Hause nehmen. Als Nummer drei im Bunde tritt uns nun eine Distillery Exclusive Bottling entgegen, die in einer limitierten Auflage von 6000 Flaschen exklusiv nur hier vor Ort zu erwerben ist (was wir im Nachgang dann natürlich getreulich erledigen). Auch wenn hier keine Jahreszahl zu erkennen ist, versichert uns Natalie, dass wir hier mindestens 12jährige Brände bestaunen, denen man eine Nachreifung in Brandy-Fässern angedeihen ließ – was einen wunderbaren Kontrast zur Lowland-Note bietet. Wir sind weiterhin entzückt – ganz im Gegenteil zum nun folgenden 17jährigen mit 57,4%, der offenbar nur zeigen soll, dass ein erschöpftes Fass keinen Geschmack mehr liefert: „the oak has lost its life“, erzählt Natalie, und in der Tat ist das Ganze flach und schal. Schnell weiter zum single cask ex-Sherry von 1988, der mit 58,8% und einem wunderbar ausgewogenen Aroma aufwartet – kein Wunder, haben wir es hier mit einem second fill zu tun, der noch jede Menge „life“ hat.

Als Highlight dürfen wir uns nun noch ein Kronjuwel gönnen: mit 57,2% und vor allem 24 Jahren haben wir nun einen Vertreter der Glenkinchie Special Releases vor uns, die in Fass-Stärke abgefüllt werden und limitiert auf den Markt kommen – diese Ausgabe kommt auf 4.500 nummerierte Flaschen. Der Kollege hat uns schließlich komplett von den Socken, mit Noten von reifen Bananen und Vanille, die von einem vollen, sehr ausgewogenen Abgang gefolgt sind. Wir notieren ein Glanzlicht und freuen uns noch über eine hübsche Zugabe: weil wir so brav waren, dürfen wir noch einen 15jährigen Benrinnes verproben, einen hierzulande eher weniger bekannten Speyside-Vertreter (teilweise erhältlich als Abfüllungen von Douglas Laing), der uns ganz hervorragend mundet. Wir sind vollends hellauf begeistert und erwerben gerne nicht nur die Distillery Exclusive Edition, sondern auch einen Quaich, mit dem sich Freundschaft und Verbundenheit auch für besondere Anlässe zeigen lassen. Und dafür haben wir sehr bald sicherlich gute Verwendung (man erinnere sich an den Hinweis zum Afternoon Tea). Ob wir darüber dann berichten, wird sich allerdings noch herausstellen.