Schöne Maid (hat heut für uns Zeit): die Iron Maidens und die Aerochicks im Backstage

24.07.22 Backstage München

Free and Easy! Sonntag! Und dazu noch zwei Damenkombos, die versiert und schwungvoll Covers zweier interstellarer Formationen präsentieren. Da durften wir natürlich nicht fehlen, oder?

Zu den feinsten Zügen des Backstage gehört stets die großzügige Geste, an 18 Tagen eine ganze Palette von Veranstaltungen aufzufahren, die man ohne Entrichtung einer Zutrittsgebühr besuchen kann – ganz Free and Easy eben, wie das in diesem Jahr wie so vieles auch endlich wieder stattfinden konnte. Dass dabei „the world’s only female tribute band“ der ultimativen Helden aufspielt, die wir vor einiger Zeit doch erst im Original bestaunen konnten, macht die Sache umso interessanter, so dass wir unser Bündel schnüren und erfreut feststellen, dass die Versorgung mit kulinarischen Kostbarkeiten heute gewährleistet ist.

Dabei sputen wir uns aber, denn im schon ordentlich gefüllten Werk schlagen die Aerochicks aus dem Münchner Umland in mehr oder weniger die gleiche Kerbe: wie der geneigte Sympathisant ahnen kann, fabrizieren diese Damen eine Hommage an die früheren Glam Rock, später MTV-Könige von Luftschmidt. Zu den Klängen eines schmackigen „Love In An Elevator“ konstatieren wir zunächst amüsiert, dass hinter der Schießbude erneut die gute Veronika Hauger sitzt, die wir letzten Samstag an gleicher Stelle erst mit Maidenhead erleben konnten. Die Szene ist eben doch klein. Neben Katy Achhammer und Vanessa Jung an den Sportguitarren zieht dabei vor allem Fronterin Stefanie Baringer die Blicke auf sich, die sich nicht nur stimmlich mit Herrn Tyler himself messen kann: der Mikroständer ist standesgemäß mit bunten Tüchern verziert, und Frau Baringer, in apartem Leoparden-Top, schlängelt, räkelt, kokettiert und stolziert über die Bühne und auch auf das ins Publikum gebaute Podest, dass es eine Art hat. Das Bühnenpodest stellt die Fotografenhorde vor eine kleine Herausforderung, immerhin muss man mit seinem ganzen Klimbim drunter durch krabbeln, um auf die andere Bühnenseite zu gelangen, aber wir schaffen das mit nur einem Kopfandotzen.

„Ich habe gewusst, Ihr seid geil drauf!“, informiert uns die gute Stefanie, bevor es mit „Crazy“ etwas aus der MTV-Powerballaden-Ära zu bestaunen gibt. Dem klassischen 70er-Fundus entspringt dann „Sweet Emotion“, zu dem Frau Baringer die burlesk-artige Vorstellung fröhlich weiter treibt. Mit „Dream On“ folgt dann die wohl herausragendste Nummer der „Toxic Twins“, bevor es dann mit „Dude Looks Like A Lady“ (legendärerweise die launige Aufarbeitung der Verwechslung, die Herrn Tyler mit einem gewissen Axl Rose unterlief) und dem 80er-Comeback-Track „Walk This Way“ schon in die Zielgerade geht. So geht Anheizen, die Damen, sehr löblich – zumal die gute Stefanie bei der nun folgenden Ansetzung enthusiastisch für Fotos, Anstoßen und Mitfeiern bereitsteht. Top!

Flugs wird das Backdrop weggerollt und enthüllt das Setup für die Iron Maidens, die durchaus Humor beweisen: da ist ein Eddie mit pinkem Haarschleifchen zu sehen, und den Wegweiser zur Akazienstraße, den kennen wir ja schon. Standesgemäß geht es mit „Doctor Doctor“ vom Band los, bevor sie dann beweisen, dass sie immer wieder mal Stücke aus dem Hut ziehen, die beim Original gar nicht oder selten auf dem Spielplan stehen: „Killers“ geht gleich in die Vollen und macht ordentlich Dampf. Die Damen ballern den Schnellzug-Song ordentlich raus, und Shouterin Kirsten Rosenberg begrüßt uns mit einem launigen „Servus München!“ Nachdem das keiner goutiert, fragt sie amüsiert: „is my accent so bad? Work with me here!“ Das machen wir doch gerne und stellen fest, dass Nikki Stringfield entweder verhindert oder nicht mehr an Bord ist: eine neue, ebenso kompetente Dame übernimmt den Dave Murray-Part, während auf der anderen Bühnenseite wie gewohnt Courtney Cox (den Friends-Joke spare ich mir jetzt) im Mercyful-Fate-Shirt die Arbeit versieht. „2 Minutes To Midnight“ und „Revelations“ schießen die Stimmung weiter nach oben: im weiten Rund herrscht kollektiver Mitmach-Alarm, auch wenn oder gerade weil das jetzt nicht die ganz großen Geheimtipps aus dem Kanon sind. Wanda Ortiz zupft wie immer originalgetreu die ja durchaus nicht ganz trivialen Basslinien und bleibt mit kurzer Hose und Stiefeln dem Harris-Look

verpflichtet. „Wasted Years“ führt den Hit-Reigen weiter, und beim länger nicht gehörten „Stranger In A Strange Land“ agiert Frau Rosenberg dann wie Meister Dickinson himself im Video (mit wallenden Haaren und geschwenktem Mikroständer), bevor dann auch ein erster Eddie über die Bühne springt. Mit „22 Acacia Avenue“ greifen sie dann doch ein wenig tiefer in die Klassikerkiste – in der Tat frappierend, dass das zugehörige Album gerade 40 Jahre alt geworden ist: die Nummer von Charlotte the Harlot kracht wie eh und je und zeichnet sich durch die besten Maiden-Trademarks aus. „Is it hot?“, fragt uns Frau Rosenberg jetzt erst mal weitgehend rhetorisch: auch wenn es gelungen scheint, eine Art Lüftung zu installieren, die vor allem hinten die schlimmsten Eskapaden vermeidet, läuft der Ofen vorne auf Umluft. Beim „Trooper“ wedelt die Fronterin erst mit der englischen, dann mit der deutschen Flagge, die Instrumentalfraktion versammelt sich auf der Rampe ins Publikum hinein – das Stageacting ist auch heute durchaus einwandfrei. Mit dem Instrumental „Losfer Words“ stiehlt sich jetzt das einzige entbehrliche Stückchen ins Set: ja, das haben sie seinerzeit auf der „World Slavery Tour“ gespielt, aber so richtig zünden wollte das schon damals nicht. Da nehmen wir doch viel lieber „The Evil That Men Do“, das Frau Rosenberg ganz stilecht mit dem leicht verdrehten Sinnspruch „The good that men do ist oft interred with their bones, but the evil that man do lives after them“ einleitet, den Shakespeare seinem Marc Anthony in den Mund legt.

Zu „Powerslave“ dreht dann nicht nur „Ms Steven Tyler“ im Publikum durch, auch die Menge an sich goutiert das Stück samt drückendem Sound sehr wohlwollend, zumal die Fronterin eine spaßige Federmaske vorführt. „Children Of The Damned“ bewährt sich wieder als absolut hervorragende Livenummer, die die Vorbilder zurecht für die „Book Of Souls“-Tour abstaubten, bevor zu „Number Of The Beast“ ein lustiger Springteufel über die Bretter hüpft. „Fear Of The Dark“ avanciert wieder zum Publikumsliebling (ganz ohne „London After Midnight“-Perücke), und bei „Aces High“ zeigen sich die Damen dann improvisierfreudig und humorvoll: als kurz vor der Soloattacke die Gitarre streikt und der Ersatz nicht rechtzeitig funktioniert, singt Frau Cox ihren Part kurzerhand in Mikro. Sehr spaßig und gekonnt – Respekt! Nach „Iron Maiden“ ist dann Feierabend, und wir konstatieren wieder einmal, dass die Damen ihr Handwerk unzweifelhaft verstehen. Schade zwar, dass Zuckerstückchen, die wir auf vorigen Setlists sahen – wie etwa „Back In The Village“, „Gangland“, „To Tame A Land“ oder sogar das von Maiden-Fans ewig vergeblich erbetene „Alexander The Great“ – nicht zum Zuge kamen. Aber das tut der Sache hier und heute keinen Abbruch: das kann ja alles noch werden. Nächstes Mal!