Im Reich der wilden Tiere: wir gehen auf Safari mit Beyond the Black, Kobra and the Lotus und Beast in Black

11.12.2017 Backstage München

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Die eine Formation: weithin bekannt aus Film und Fernsehen. Die andere: definitiv demnächst auch in größerem Rahmen zu bestaunen. Und die dritte: besteht aus dem ehemaligen kreativen Kopf einer unserer Lieblingskombos. Dazu schlüpfen wir doch gerne in unseren Trainingsanzug! 

Nicht nur Menschen, sondern auch Monster in Schwarz, dazu noch Schlangen und exotische Pflanzen: selten stand eine so abenteuerliche Mischung auf dem Programm wie heute. Dabei muss man eigentlich gar keine Angst haben, denn das Paket, das unter der Flagge Beyond The Black heute im Backstage gastiert, garantiert doch einen Abend voller feiner Melodien und schmissiger Schlager. Angetan haben es uns dabei neben dem Headliner, der nach wie vor mit der „Lost In Forever“-Scheibe unterwegs ist, vor allem die Kanadier um Kobra Paige, die mit ihrem markant-rockigem Soundgewand langsam aber stetig verdientermaßen auf der Bekanntheitsskala nach oben klettern.

Nicht zu verachten ist aber auch der Opener-Slot, der heute von Beast in Black bekleidet wird – diese Herrschaften führt nämlich niemand anders als Anton Kabanen an, der immerhin bis zu „Unholy Saviour“ als Hauptsongschreiber maßgeblich am Output der finnischen Helden Battle Beast beteiligt war. Eigentlich hätten wir die Kollegen ja schon vor ein paar Tagen im Vorprogramm von W.A.S.P. auf dem Zettel, aber nach offenbar doch etwas ruppigem Umgang des Hauses Lawless mit der Supportband entschloss man sich, von diesem Tross abzuspringen. Sei’s drum, dann schauen wir uns das gerne heute an, als die Mannen die Bühne stürmen und mit „Beast in Black“ gleich ordentlich loslegen. Schon im Namen deutet sich an, dass man hier keine grundsätzlichen Stilwechsel zur alten Wirkungsstätte erwarten sollte: etwas härter, aber natürlich sehr melodisch, mit starken 80er-Anklängen, eben wie ein Soundtrack aus einem Buddy-Action-Film, so kommen die Nummern auch bei diesem Biest daher. Shouter Yannis Papadopoulos agiert ohne Haare, dafür aber mit langem Mantel und vor allem facettenreicher Stimmgewalt, während die Instrumentalfraktion mit Kasperi Heikkinen und Máté Molnar ihre langjährige Bühnenerfahrung (unter anderem in Diensten von Herrn Dirkschneider) in gekonnter Choreographie ausspielt. Auch wenn die Arena bestenfalls erst zu einem guten Drittel gefüllt ist, springt der Stimmungsfunke zackig über – „Eternal Fire“ und „Blind And Frozen“, allesamt vom durchaus hochgelobten Debüt-Album „Berserker“, laufen gut rein und lassen die Tanzbeine schwingen. Nach der Disco-Attacke „End Of The World“ muss das Tier nach 30 Minuten schon wieder in sein Körbchen, aber für ein ordentliches Ausrufezeichen hat es allemal genügt. Wir sehen uns wieder, so viel steht fest.

Nach diesem satten Auftakt erwarten wir freudig die Kombo, die zumindest für uns das Highlight des Pakets liefert: die Kanadier von Kobra and the Lotus konnten uns letztes Jahr im Vorprogramm von Delain schon restlos begeistern, und auch die aktuelle Scheibe „Prevail“ weiß mit schmackigem, modernen Metal jenseits aller symphonic-Allüren durchaus zu gefallen. Zu den düsteren Intro-Tönen von „Gotham“ marschieren die Herren auf die Bühne, bald gefolgt von Namensgeberin Kobra Paige (die in der Tat so heißt, wie sie mir vorher erzählt), die heute nicht im güldenen Trikot, sondern im Rauschemantel und schwarzen Senkel einschwebt. Schwer das Riffing, düster der Text, in dem die Heimatstadt des alten Spitzohrs symbolisch für jeden Sündenpfuhl steht („fallen angels fallen from disgrace“, na das macht doch Mut), und darüber Frau Paiges energetische Stimme, der man die klassische Ausbildung deutlich anmerkt: sicher und mit vollem Einsatz schwingt sie sich durchs Gehölz, das mit dem ebenso formidablen „Trigger Pulse“ in die Fortsetzung geht.

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Souverän bewegen sie sich über die Bühne, der Gitarrero macht uns den astreinen Chris Hemsworth-Imitator, während Basser Brad Kennedy zwar ein wenig aussieht wie Spinal Tap-Tieftöner Derek Smalls, seine Sache aber im Gegensatz zu diesem glücklosen Herren hervorragend erledigt. Mit dem wunderbar düsteren „Specimen X“ geht es weiter im Programm, Kobra hat sich mittlerweile ihres Mäntelchens entledigt und posiert im Netzteil-Strumpf-Dingens, das sie durchaus vorteilhaft in Szene setzt (ob sie nun den Fummel oder der Fummel sie, das lassen wir offen, Grammatik ist etwas Wunderbares!). Die Dame nimmt im Verlauf gefühlte fünf Flaschen Wasser zu sich – keine Frage, das druckvolle Singen kommt nicht von Ungefähr, und auch bei dem wunderbar getragenen „Light Me Up“ brilliert die Dame ohne jeden Zweifel. Nach der heftigeren Attacke „Hell on Earth“ kommt dann „You Don’t Know“ nach einem ruhigen, vokalistischen Intro ebenso massiv daher und erntet sehr gute Reaktionen, die sich auch Schlagzeug-Tier Marcus Lee (Hemd? Bei der Statur optional) gefallen lässt. Mit “Victim“ schließt sich der einzige leicht schwächere Song des Sets an, was aber durch den rabiaten Abschluss „50 Shades Of Evil“ (den Schlabberzunge und Label-Chef Gene Simmons höchstselbst empfahl doch für das Debüt-Album zu berücksichtigen) mehr aus ausgeglichen wird. Wir stellen fest: Miss Paige und ihre Mannen sind auf dem besten Wege, sich ihre ganz eigene Nische im Female Fronted-Universum zu schaffen, die durch kompositorische Klasse und gesangliche Macht überzeugt. Wunderbar!

Aus der Nische herausgetreten sind die Symphonic Metaller um Frontfrau Jennifer Haben schon längst, nicht zuletzt dank multimedialer Präsenz – ob im Sat.1 Frühstücksfernsehen, ZDF Fernsehgarten oder als Lieferant des Titelsongs „Night Will Fall“ für die hausgemachte Kommerz-TV-Kost „Die Ketzerbraut“: Beyond the Black treten einem nicht nur auf der Bühne entgegen und servieren auch in der neuen Inkarnation, die letztes Jahr die Startformation um die Frontdame komplett ersetzte, eingängiges Futter für alle Freunde des Bombast-Sounds à la Within Temptation. Dies konnten wir nicht nur auf dem seligen Rockavaria, sondern auch im Januar diesen Jahres im Vorprogramm von Powerwolf bestaunen. Auch wenn die Badenser seither nach wie vor mit der gleichen Scheibe durch die Lande ziehen, schauen wir uns auch das Headliner-Set natürlich gerne an, das mit dem Titeltrack „Lost In Forever“ gleich gut losmarschiert.

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Die Bühne ist im Vergleich zu den zwei Openern deutlich vergrößert – und vor allem deutlich besser ausgeleuchtet, offenbar nach dem Rotkäppchen-Prinzip, damit wir wie weiland der Wolf die holde Jennifer besser sehen können. Die schwingt sich beherzt durchs Programm, wie alle Mitstreiter in der Bandfarbe gekleidet und mit Glitzermikro neckisch ausgestattet. „Beyond The Mirror“ setzt den Reigen fröhlich fort, Frau Haben begrüßt uns kurz und wünscht sich, dass wir zum nächsten Song doch bitte alle mitsingen sollen – was wir zum Kracher „Songs Of Love And Death“ doch auch gerne tun. Gitarrist Chris Hermsdörfer, ebenfalls in Diensten bei den Melodic-Helden Serenity, post und mosht, was das Zeug hält, und auch Basser Stefan Herkenhoff macht den stilechten Metal-Flummi. Die Reaktionen sind euphorisch, man feiert seine Band nach allen Regeln der Kunst ab. „Burning In Flames“ kann mich nicht ganz vom Hocker reißen, aber danach rollen die emsigen Roadies ein Tasteninstrument herbei, an dem Frau Haben nun Platz nimmt und uns eine Hymne ankündigt: und ja, „Unbroken“ funktioniert in der hier dargebotenen Fassung, komplett mit einem brillierenden Herrn Hermsdörfer, ganz wunderbar. Gleich eine weitere Hymne gebe es jetzt zu bestaunen: wenn es schon jedes Jahr einen Wiesn-Hit gibt, dann kann sich das größte Metal-Festival der Welt nicht lumpen lassen und feuert alljährlich eine neue Signatur heraus. 2015 war das „Rage Before The Storm“, das die gute Jennifer mit Herbie Langhans einzimmerte, und diese Nummer feuern sie uns hier und heute auch um die Ohren (unter uns: das Stück zündet mit schmackigem Refrain deutlich besser als die „Metalheads“, die uns Doro an gleicher Stelle letzte Woche zu Gehör brachte). Getragen begonnen, entwickelt sich „Halleluja“ dann zur krassen Attacke, die mit Zusammenrottung der Akteure auf der Bühne auch optisch punktet und die Stimmung noch eine Einheit nach oben treibt. Jetzt aber lassen sie es wieder ruhiger angehen: Frau Haben nimmt wieder am Klafünf Platz und intoniert gemeinsam mit Chris an der akustischen Sportguitarre das Motörhead-Cover „Love Me Forever“ – immer wieder erstaunlich, zu welchen Harmonien der alte Lemmy fähig war (siehe auch das elegische „1916“). Jetzt holt man ihr einen hohen Bast-Stuhl, wir sollen wieder mitsingen – nun, so schön können wir das natürlich nicht, wie sie das in der Tat wundervolle „Pearl In A World Of Dirt“ bringt. Die Akustik-Runde kommt vor allem bei der holden Weiblichkeit im Publikum bestens an, die verzückt dahinschwebt und sich gerne zum Mititonieren animieren lässt. Jetzt nimmt auch noch Keyboarder Jonas Roßner am gleichen Tasteninstrument Platz, man stürzt sich in eine weitere getragene Fassung, die als „kleines Special“ angekündigt wird – jetzt reicht es dann aber langsam, die Herrschaften, und wir sind durchaus dankbar, dass dies nur das Intro des dann komplett instrumentierten „Halo Of The Dark“ war. Mit „Forget My Name“ steht nun die neue Single (auch als Video zu bestaunen) auf dem Programm, die mit Grunz-Einlagen und folkiger Akustik-Klampfe durchaus in Ordnung geht, aber aus meiner bescheidenen Sicht die Klasse der früheren Kracher nicht erreicht. Dazu zählt nämlich das nun folgende, mächtige „When Angels Falls“, das den besten Moment des Abends markiert – episch, heftig, melodisch. Jetzt sollen wir hüpfen, was wir zu „Shine And Shade“ auch gerne tun, während Tastengreifer Roßner die Bass-Griffe für seinen Kollegen übernimmt. Nach „Written In Blood“ ist zuerst einmal Schluss, aber natürlich fehlt noch mindestens ein Hit. Nach einer kurzen Pause kehren sie wieder und kredenzen uns genau diesen mit „In The Shadows“, was wieder bestens funktioniert und zeigt, dass die Nummern auf dem Erstling dem neueren Output eben doch mehrheitlich überlegen sind. Das gilt auch für den Rausschmeißer, das rasante „Running To The Edge“, das den sprichwörtlichen Sack dann endgültig zumacht. Gute Leistung, die Menge spendet freigebig Beifall – auf dem Hinausweg sehe ich am Leibchenstand noch den ausnehmend zurvorkommenden Tourmanager von Kobra and the Lotus, der alles exzellent im Griff hat, und die Jungs von Beast in Black, die mit einigen Fans noch einen Plausch halten. So lässt man sich den Ausklang eines Ausflugs in die Wildnis doch gefallen.