Wilde Hühner – Göttergaben - Elvis lebt: wir erkunden die Braukunst Live 2018!

02.02.2018 - 04.02.2018
MVG Museum München

2018-02-03_17-32-28.jpg

Man kommt aus den Messerundgängen ja gar nicht mehr heraus: kaum hat die Finest Spirits ihre Pforten geschlossen, lädt auch schon die Schwestermesse Braukunst Live in die gleiche Location. Weil wir uns da schon bestens auskennen, folgen wir auch diesem Ruf gerne – und natürlich auch, weil die Craft Beer Szene einiges zu bieten hat.

Frank-Michael Böer hat klug erkannt, dass die Whisky-Pilger durchaus andere Gesellen sind als die Craft Beer-Fraktion, weshalb er unter dem Banner Finest Spirits-Events eben nicht nur die landauf, landab bekannte Spirituosenmesse ausrichtet, sondern auch die Leistungsschau des Brauerhandwerks, das vom 2.-4. Februar im MVG Museum über die Bühne ging. Fast 90 Aussteller präsentierten dabei gut und gerne 1000 Biersorten, wobei das Spektrum von den bekannten Großmarken wie Schneider oder auch Hofbräu bis zu den rührigen Lokalmatadoren und Künstlern ging, die durch eigenwillige Kreationen auf sich aufmerksam machen. In diversen Masterclasses konnte man ähnlich wie bei der Finest Spirits ausgesuchte Raritäten unter fachkundiger Anleitung verköstigen, in der Rare Beer Area gab es Raritäten zu bestaunen, und im Lab durften sich fünf aufstrebende junge Bier-Projekte präsentieren.

Eben die kleinen aber feinen Spezialitäten haben es uns natürlich besonders angetan, weshalb wir nach Abholung unseres Tasting-Glases die Schritte erst einmal in Richtung Hopster lenken, wo wir uns zum Auftakt gerne wieder mit einer feschen Hopfenlimo erfrischen. Blumig-fruchtig kündet der Waschzettel, und genauso mundet das Getränk, das auch den Vorteil hat, dass man mehrmals das wundersame Wort „Hopfendolden“ (aus der Hallertau) aussprechen darf. Allein das gereicht doch schon zum Genuss. Wir schlendern weiter zum schmucken Stand von Hoppebräu, wo wir uns nicht nur ein ganz zahmes, leicht-fruchtiges Helles, sondern auch wilde Gesellen gönnen, die getreu dem Motto der Brauerei von Markus Hoppe aus Waakirchen „handgmachts Kraftbier“ präsentieren. Der „Wuida Hund“ macht seinem Namen als Lager mit 4,5% im positiven Sinne mit malzigen, brotigen Tönen alle Ehre. Auch seine Pendantin, die „Wuide Hehna“, weiß zu gefallen: 4,1% bringt das Pale Ale ins Glas und erfreut uns nach einer wunderschönen Nase mit trocken-citrusartigen Anklängen. Fein!
Kurz um die Ecke erspähen wir ein lustiges Plakat, das einen Wikinger zeigt, der die „Craft Beer Diet“ abfeiert: „I lost three days once!“ Dahinter können sich doch nur unsere Freunde von der Wacken Brauerei stecken, zumal der Kriegsherr auf dem Plakat durchaus Ähnlichkeit mit Cheffe Hendrik hat, der uns heute die neueste Ausführung des „Beer of the Gods“ kredenzt. Der „Hymir“, den es seit Herbst letzten Jahres zu haben gibt, kommt als Barrel Stout mit stolzen 8,5% daher, wie sich das für einen echten Asen ja auch gehört: wuchtig, schwarz dank Röstmais, mächtig schlägt der Riese zu, der in der nordischen Mythologie ja teilweise sogar als Vater des Donnergotts selbst gehandelt wird, in jedem Falle aber einen riesigen Kessel zum Bierbrauen sein eigen nennt. Bei Odins Bart!


Wir fühlen uns heldenhaft und gehen weiter zur Munich Brew Mafia, wo wir uns ein launig betiteltes „Kriminelles“ (ein Helles mit 5%) und ein „Moulin Brewge“ zu Gemüte führen – ein dry hopped Hibiskus Lager, das in der Tat schmeckt wie der ausgelobte „Früchtetee mit Bumms!“. In Zusammenarbeit mit der Varionica Craft Brewery aus Kroatien, die nebenan einen kleinen Stand betreiben, servieren die Münchner Kollegen dazu noch ein Neon Stout, das mit 6,2% auch die Lebensgeister weckt. Etwas etablierter geht es dann bei der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg zu, die in Fürstenfeldbruck residiert und heute einige Tröpfchen im Ausschank hat, die wir gerne probieren. Wir entscheiden uns für den „Prinzregent Luitpold Weizenbock“ (ein bernsteinfarbener, naturtrüber Doppelbock mit dem hübschem Fruchtaroma, obendrein eine schöne Erinnerung, dass eben jener Prinzregent in meinen heimatlichen Gefilden gerne auf die Saujagd ging und dabei in der Kutsche durchs Dorf rollte, was den älteren Semestern lange Zeit noch durchaus vor Augen stand), den mit 9% schlagkräftigen, am besten zur Fastenzeit passenden „Ritterbock“ und das gefällige, spritzig-malzige (im Vergleich mit 5,6% fast leichte) „Kaltenberg Spezial“. Bei den Kollegen von Hofbräu nehmen wir den „Winterzwickel“ (5,6%) und den „Hallodri“ (6,1%) unter die Lupe, die es naturgemäß zwar nicht auf die ausgeprägte Charakteristik eines Kraftbiers bringen, aber zweifelsohne eine angenehme Note aufweisen.

Als Stärkung zwischendurch gönnen wir uns jetzt erst einmal einen ordentlichen Kasnockenburger, den man beim Tölzer Kasladen erringt und der sich wie schon letzte Woche größter Beliebtheit erfreut. Ebenso emsig geht es bei Braufactum zu, die auf der Braukunst Live genauso Stammgäste sind wie beim Streetlife Festival. Die Frankfurter zeigen sich auch heute wieder als populäre Anlaufstelle: das „Sina Dry White IPA“, das wir eigentlich versuchen wollten, hat man ihnen kurzerhand schon leergetrunken. Wir optieren daher für das „Progusta IPA“, eine Sonderedition des Indian Pale Ale, das mit erntefrischem Hopfen gebraut extrem fruchtig-zitruslastig einschlägt. Weniger spannend finden wir dagegen das Brown Ale „Brale“ – diese Ausgabe des klassischen Brown Ale zeigt sich zwar schön dunkel, aber die kräftigen Malznoten erinnern uns dann doch ein wenig zu sehr an die Tage, an denen wir uns im Pub in England bestenfalls ein Newcastle Brown Ale (genannt „Newkie Brown“) leisten konnten, über das man nicht gänzlich zu Unrecht sagt, das Wasser des River Tyne würde dafür einfach direkt abgefüllt. Nun ja, man muss ja nicht alles mögen. Frohgemut wenden wir uns wieder zur Fraktion der Lokalmatadoren, dieses Mal zu Apostelbräu aus der „Granitstadt“ Hauzenberg, was man für uns gerne auf Nachfrage in Niederbayern verortet. Dort gibt man sich gerne international und hat eine ganze Reihe von „barrel aged beers“ kreiert, die wie der Name sagt in jeweils unterschiedlichen Holzfässern nachreifen. Das interessiert uns doch immer, wir treten daher dem „Capt‘n Spelt“ nahe, der seine Veredelung, wie es sich für einen echten Piraten ziemt, in Caribbean Rum Barrels durchlebte, die dem Sud eine deutlich spürbare süße, bananige Note verleihen, die uns durchaus zusagt. „Chuck’s Barrel“ glänzt dagegen, wie das Banjo auf dem Label schon vermuten lässt, mit einer Reifung in Tennessee Whiskey-Fässern – diese Überkreuzungen von craft beer und whisk(e)y sind uns ja schon mehrfach entgegengetreten und können auch heute wieder nicht ganz überzeugen. Etwas traditioneller gibt sich dagegen das „Einkorn-Gourmetbier“, das mit 5% Stärke und biologischer Erzeugung aufwartet. Der ausgesprochen getreidige Geschmack zeigt klare Kante und sorgt dadurch für einiges an Diskussionen – wobei sich hierüber ja eben nicht streiten lässt.

Bei der Familienbrauerei Jacob aus Bodenwöhr schreibt man sich auf die Fahnen, das „wahrscheinlich beste Weißbier der Welt“ zu fabrizieren – bevor hier die humorbefreiten EU-Wettbewerbsrechtler da auf den Plan treten und diese markige Aussage unterbinden, probieren wir doch schnell zumindest noch eine Variante davon. Der „Jacob JBB Bourbon Bock“ bringt ein mit 8,1% mächtiges Bockbier, das – große Überraschung – als limitierte Sonderedition in ehemaligen Bourbon-Fässern nachreifte und somit das klassische Schicksal eines single malt whisky erlebte. Schön dunkel steht der JBB im Glas und punktet mit Geschmacksnoten von Vanille, Schokolade und Eichenholz. Auch nicht ein Bier für alle Tage, keinesfalls, aber dennoch durchaus gelungener als manch anderer Vertreter der Nachreifungs-Zunft. Vollends ins Abenteuer stürzen wir uns dann zum Schluss noch bei dem durch einen nicht ganz unauffälligen blauen Neonschriftzug gekennzeichneten Stand von Brewdog aus Ellon in merry old Scotland. Dort durchdringen wir zunächst einen formidabel imitierten schottischen Akzent der Standbesatzung, die uns dann ein gar wunderliches Gebräu ans Herz legen: der „Elvis Juice“ (über die Glückhaftigkeit dieser Bezeichnung diskutiert vor allem die holde Weiblichkeit später noch lange) kombiniert ein amerikanisches IPA mit Grapefruit- und Orangenschalen (ehrlich!). Was klingt wie eine englische Frühstücksmarmelade kommt in jedem Fall interessant daher: wenn man sich auf diese Verbindung einlässt, die mit Bier ehrlich gesagt relativ wenig zu tun hat, dann kann man sich das Goldkehlchen mit seinen 6,5% durchaus mal gefallen lassen. Zu unserer Tasting-Runde hören wir noch gerne die Geschichte, dass die Brauerei-Gründer Martin Dickie und James Watt (nebenher Erfinder der Dampfmaschine, der Mann ist umtriebig!)  erwartungsgemäß bald einen Rechtsstreit um den Namen am Hals hatten, den sie allerdings kurzerhand dadurch lösten, dass sie sich selbst nach dem alten Hoola Hoop-Rock’n’Roller benannten – zumindest mit Zweitnamen. Ob das wirklich stimmt, werden wir heute nicht mehr ergründen, eine schöne Geschichte (also das, was man bei Ardbeg als „a good story“ bezeichnet und nichts als Marketing ist) konstatieren wir allemal. Nun sind wir aber dann wirklich ausgiebig im Land der Kraftbiere gewandelt und orientieren uns langsam wieder zum Ausgang des MVG-Museums. Wir sind durchaus beseelt, sagen noch ein paar Mal „Hopfendolden“ und schaukeln dann im zuverlässigen Shuttlebus gen Heimat. Bis nächstes Jahr!