Im goldenen Dreieck auf der grünen Insel: wir besuchen die wahre Quelle des Lebenswassers. Teil 1: Literatur und Bier mit Stickstoff

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„Whiskey wurde hier in Irland erfunden. Die Schotten sagen ja immer gerne, das wäre ihr Verdienst, immerhin gäbe es dort viel mehr Sorten. Dazu sagen wir nur: sie probieren es halt noch aus.“ Dieser launigen Anekdote mussten wir doch einmal auf den Grund gehen – und suchten in Dublin nach den Ursprüngen unseres Lieblingsgetränks. Wurden wir fündig? Of course!

Dublin ist auf jeden Fall eine Reise wert – die Stadt an der Liffey hat für (fast) jeden Geschmack etwas auf Lager. Ausgehfreudige (zu denen wir natürlich nicht zählen) schwärmen schon am Tag durch Temple Bar, das bunte Pub- und Nachtclub-Viertel, in dem sich auch die so benannte Temple Bar mit dem eigens kreierten Whiskey findet (wir urteilen: muss man gesehen haben, ein Pint vor Ort sollte man sich gönnen, auch wenn das natürlich teuer, für die Touristen und so ist ähnlich ist wie die Reeperbahn – nur eben ohne Damen). Historisch versierte Besucher erfahren, dass Irland als Auswanderungsland Nummer 1 seit Jahrhunderten seine Bewohner in die ganze Welt schickt (oder treibt), so dass vor allem Nord- und Südamerikaner sowie Australier im Stammbaum in nicht allzu weiter Ferne irgendwo einen Paddy haben dürften – was mit futuristischen, interaktiven Ausstellungen wie Epic Ireland eindrucksvoll inszeniert wird. Wer es lieber landschaftlich schätzt, der kommt mit der Bahn in dreißig Minuten an die Küste, wo die Halbinsel Howth zu einem spektakulären cliff walk einlädt. Wer sich für Literatur interessiert, der kann hier in den Fußstapfen von Leopold Bloom wandeln, der Hauptfigur von James Joyces monumentalem und nicht gerade leicht lesbaren Ulysses, aber auch die St. Patrick’s Cathedral bewundern, in der Jonathan Swift als Dekan seinen Dienst versah und nebenbei seine bittere Satire Gullivers Reisen abfasste, von der nur die ersten beiden Kapitel ins populäre Bewusstsein gedrungen sind, während doch vor allem die vierte und letzte Reise zutiefst böse und menschenfeindlich daherkommt (und nebenbei den Machern einer gewissen Suchmaschine der ersten Stunde bei der Namensfindung behilflich war, Stichwort Yahoo). Cheflebemann Oscar Wilde, Wortkünstler William Butler Yeats, Dracula-Vater Bram Stoker, Absurditätenkönig Samuel Beckett, sie alle kamen aus Irland und verließen das Land wie viele ihrer Landsleute. Nachdem sich Irland allerdings in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts endgültig vom Stigma des Armenhauses Europas emanzipierte und Anfang der 2000er sogar einen waschechten Wirtschaftsboom erlebte (der als „Celtic Tiger“ lossprang und allerdings in der Finanzkrise 2008 erst einmal zu einem krachenden Ende kam), nimmt der Tourismus eine stets wachsende Rolle ein – was man sicherlich auch in der Attraktion ablesen kann, die alljährlich mit Abstand am meisten Besucher anzieht.

Und das ist keine Kirche, kein Museum und kein Stadtviertel, sondern das Guinness Storehouse am St. James’s Gate, zumindest in Teilen Produktionsort des landauf landab bekannten dunklen Stout, dem man ein publikumswirksames Denkmal gesetzt hat. Die Touristenbusse machen hier ausnahmslos Halt und entlassen Horden von Schlachtenbummlern in diese Erlebniswelt, die mit einem Museum ungefähr so viel zu tun hat wie Disneyworld mit der British Library. Hier wird, wie man das so schön formuliert, eine „Markenwelt inszeniert“: komplett mit architektonischen Extravaganzen (der ganze Turm ist einem Pintglass nachempfunden) und einem Shop, der die Ausmaße eines Einkaufszentrums hat. Wir nehmen das mal so hin und konzentrieren uns auf die Informationen, die wir doch irgendwie aus dem bunten Treiben herausfiltern. Von der zur Schau gestellten Brau-Lizenz, die sich der findige Arthur Guinness für sage und schreibe 9000 Jahre (!) sicherte, über den traditionellen Herstellungsprozess und eine schmucke Wasser-Installation finden wir wenigstens einige historische Maschinen und Werkzeuge, die man drapiert hat, darunter eine Mühle von 1906 oder eine Pumpe aus den 50er Jahren. Eindrucksvoll inszeniert sind die 232 Grad, mit denen man hier die Gerste (von der man dem Vernehmen nach 100.000 Tonnen pro Jahr verarbeitet) für zweieinhalb Stunden röstet – zu viel, dann fängt das Zeug Feuer, zu wenig, dann kommt nicht die charakteristische Farbe und der entsprechende malzige Geschmack zum Tragen.

Dargereicht werden jede Menge Legenden: angeblich findet sich im Gebräu ein ungebrochener Strang Hefe-Kultur, der bis in die Anfangstage zurückreicht. Das mag sein, spannender finden wir dann schon die Geschichte, wie der Schaum und die 30 Millionen Mini-Bläschen ins Bier kommen, was im angelsächsischen Raum ja nicht unbedingt die Regel ist. Hierfür ist man Michael Ash zu Dank verpflichtet, der eigentlich im altehrwürdigen Cambridge Mathematik lehrte und 1951 als Braumeister zu Guinness kam (ob das wohl am notorisch niedrigen Salär bei der Eliteschule lag?). Mit Kohlensäure versetztes Bier war seinerzeit schon in Mode, aber Ash mischte noch Stickstoff dazu und kreierte damit die für Guinness seitdem charakteristische Cremigkeit und die lang anhaltende Schaumkrone. Ein kurzes Tasting darf selbst bei diesem eher massentauglich gehaltenen Rundgang nicht fehlen, bevor man dann nach einem Abstecher zu den teilweise in der Tat köstlich sprachgewaltigen Werbemotiven („As the new Gnu knew very soon at the Zoo Guinness is good for you“) – natürlich – in die Gravity Bar emporsteigt, wo man dann bei einem luftigen Ausblick auf Dublin ein Pint genießen kann. Leider nicht in Ruhe, denn die Panorama-Bar ist a) durchaus bevölkert und b) vollkommen überflüssigerweise mit irgendeinem Popgedudel beschallt, was dem Vergnügen dann doch einen gewissen Abbruch tut. Dem Instagram-Volk scheint dies egal, wir erhaschen einige Blicke und wenden uns lieber der nächsten Attraktion zu, die auch unserer Postille dann schon deutlich näher liegt. Blättern Sie um zu Teil 2, der hier bald folgt!