Haare schön, Schuhe an: die Iron Maidens im Backstage

18.04.2019
Backstage München

Iron Maidens

Die beste Band der Welt. Naja beinahe. Eher deren Musik, dargeboten von wahrlichen feschen Mädels. Dieses Rezept geht zunehmend breitenwirksam wunderbar auf – höchste Zeit also, dass auch wir uns näher mit den Iron Maidens befassen.

„Die hat ja sogar die Original-Dickinson-Frisur!“ So honoriert ein leider nicht anwesender Sympathisant eine der Aufnahmen, die ich getreulich vom Ort des Geschehens übersende. Natürlich hat Bruce die Haare mittlerweile ganz besonders schön, aber Kirsten Rosenbergs Mähne verweist dann doch eher auf die Prinz Eisenherz from Hell-Topfschnitt-Langhaar-Variante der Anfangszeiten der Air Raid Siren. Aber die optische Referenz ist wahrlich nicht die einzige Zutat, die den grassierenden Erfolg der Damen ausmacht. Coverbands gibt es wie Sand am Meer, aber das Spezialrezept der Maidens ist neben einem wirklich knorken Namen die Idee, immer wieder Perlen in die Setlist zu nehmen, die die Originale selten oder gar nicht mehr im Programm haben (auch wenn die History-Sets natürlich unerreicht sind). Wer also lange nicht gehörte Schlager wie „The Ides Of March“, „Die With Your Boots On“ oder das phänomenale „Phantom of the Opera“ livehaftig erleben will, der stattet den Maidens einen Besuch ab. Nur so ist es zu erklären, dass eine Kombo, die ausschließlich Abdeckungsversionen darbietet, die Backstage-Halle restlos ausverkauft. Wir sind frohen Mutes, dass das heute eine töfte Sause wird, und schauen uns gut gelaunt gerne auch wieder die Lokalmatadoren von Antipeewee an, die wir ja im Vorprogramm von Death Angel schon einmal bestaunen durften. Die lustigen Gesellen aus Abensberg heizen den Laden mit ihrem teilweise durchaus melodischen Thrash schon einmal angenehm vor – zu Nummern wie „Symphony Of Doom“ oder „Infected By Evil“ geht schon mal gehörig was, bevor sich die Wüteriche um Shouter Philipp Schnepka natürlich mit der Lovecraft-Hommage „Cool Guy Cthulhu“ verabschieden.

Auf der Bühne erspähen wir jetzt vielsagende Wegweiser, bei denen es wahlweise nach Transylvania oder Richtung Acacia Avenue geht – die Damen haben eben ein Auge fürs Detail. Richtig standesgemäß fällt auch der Auftakt aus, zu dem wie bei jedem Maiden-Konzert der alte Ufo-Reißer „Doctor Doctor“ vom Band schallt. Aber dann treten die Damen der Schöpfung endlich hervor und steigen mit dem „Wicker Man“ mit einer gängigen Nummer ein. Auch wenn der Sound zu Beginn noch nicht richtig knallt, feuern uns Courtney Cox (weder verwandt noch verschwägert mit Monica aus Friends-Darstellerin) und Nikki Stringfield das Stakkato-Riff wunderbar um die Ohren – ob die dargebotenen optischen Reize alle natürlichen Ursprungs sind, das lassen wir mal dahingestellt (meine kundige Begleitung meint dazu nur süffisant „welcome to California!“). Frau Rosenberg grüßt uns standesgemäß mit einem schmackigen „Scream For Me Munich!“, bevor es dann gleich Schlag auf Schlag mit „Two Minutes To Midnight“ weitergeht. Nachdem die Damen ja jeden Abend ein völlig anderes Set bieten, gerät der Verlauf zum fröhlichen Überraschungsreigen – wozu sich dann auch noch ein weiterer Schlachtenbummler aus unserem näheren Bekanntenkreis gesellt, der heute Abend doch eigentlich gar keine Zeit hatte und nun doch in unsere Richtung wogt. Kaum von mir als Hoffnung genannt, wird auch schon das ballernde „Die With Your Boots On“ zum Vortrag gebracht, dass zumindest ich seit seligen World Slavery-Zeiten nicht mehr erleben durfte. Das röhrt ordentlich, genauso wie das dann wieder häufiger anzutreffende „Wasted Years“, zu dem etatmäßig sogar ein Cyborg-Eddie über die Bühne springt.

Nun gibt es dann endlich das ganz große, lange nicht mehr aufgeführte Kino, zu dem wir hier im engeren Sinne angetreten sind: die sanfte Weise von Charlot the Harlot, die bei mir auf dem Märchenplattenspieler auf und ab nudelte, kracht hier und heute immer noch so ins Kontor und zeigt, warum das Gitarrenduo Smith und Murray nicht zuletzt mit „22 Acacia Avenue“ zu Recht Maßstäbe setzten. Da sind wir ganz aus dem Häuschen, zumal auch Basserin Wanda Ortiz in kurzen Hosen, Springerstiefeln und blauem Bass nebst Fußball-Aufkleber dazu einen durchaus passablen Steve Harris macht. Mit dem alten Schlachtross vom Krimkrieg liefern sie dann wieder eher gängige Ware ab, wobei uns Frau Rosenberg in roter Kavalleriejoppe nebst Union Jack-Schwenkung erneut wohliges Original-Gefühl beschert – was auch anhält, als mit „Powerslave“ (lustige Kappe inklusive) ein weiterer Klassiker folgt, den wir zuletzt auf der Book Of Souls-Tour bestaunen durften. Ganz schön heiß werde es unter der Mütze, informiert uns die Sangesdame nun, bevor es dann unheilsdräuend in den Song übergeht, an dem die Vorbilder live regelmäßig scheitern: „The Number Of The Beast“ erstrahlt bei den Maidens hingegen in flinker Spielfreude und vokalistischer Akrobatik – und wird nicht nur mit der Frisur, sondern auch den Nietenarmbändern für Erwachsene, die Herr Dickinson seinerzeit trug, garniert. Fein! Wir nehmen noch rasch zur Kenntnis, dass es zwei entscheidende Differenzierungen am Schlagzeug zu konstatieren gibt: Linda McDonald sieht nicht nur deutlich aus als der König der Nasenbären Herr McBrain (sorry Nicko, aber das ist nicht schwer) und trägt vor allem Schuhe. Mit Original-Ansage-Spruch feuern sie uns jetzt den „Clansman“ um die Ohren, den wir in der Schweiz ja mit der witzigen Aufforderung „and now in Swiss!“ erleben durften, dicht gefolgt vom „Flight Of Icarus“, der ja ebenfalls Teil der monumentalen Inszenierung bei der „Legacy Of The Beast“-Tour war (den mythologischen Hintergrund erläutere ich meiner Begleitung im Nachgang gerne).

Somit bewegen wir uns bislang doch eher auf bekannten Maiden-Live-Pfaden, die wir allerdings nun endgültig verlassen: das unfassbare „Phantom Of The Opera“, das erste ausgeprägte Beispiel für die typischen Maiden-Trademarks der Hoppelrhythmen, doppelläufigen Gitarren und hymnischen Parts (das uns ja wiederholt auch in einschlägigen Münchner Szenekneipen entgegentrat) versetzt meinen Mitstreiter und mich in komplette Verzückung. Was ein Abriss! Und der setzt sich beim ebenso lange nicht gehörten „Heaven Can Wait“ fort, das mit „oh oh oh“-Chören wunderbar daherballert – so wie das eben seinerzeit 1988 bei den Monsters in Pig City war. „Hallowed By Thy Name“ gelingt den Damen ebenfalls einwandfrei, bevor sie dann in ein kleines Medley übergehen und beweisen, dass sie den gesamten Katalog bis hin zu „Gangland“ und „Genghis Khan“ drauf haben. Die Wahl fällt allerdings schließlich auf „The Ides Of March“, das kurze Instrumental, das die „Killers“-Scheibe eröffnet und – natürlich – in „Wrathchild“ mündet. Dieser alte Brecher, zu dem mir in Frankfurt bei der Book of Souls-Gastspielreise mein Hintermann den Rücken emporklomm, kracht heute interessanterweise hier gar nicht. Seltsam, wird aber durch ein phänomenales „Run To The Hills“ mehr als wettgemacht. Mehr als zufrieden lenken wir die Schritte nach draußen, reflektieren noch ein wenig über die versammelten Großtaten und stellen fest, dass eben auch Abdeckungs-Fassungen wunderbar zur Zufriedenheit gereichen können. Wenn natürlich die Haare schön sind.