Groove-Alarm: Five Finger Death Punch und Papa Roach mischen das Zenith auf
/München, Zenith, 19.11.2015
Überraschungen sollte man immer schätzen, vor allem wenn sie so massiv sind wie im Falle Five Finger Death Punch. Die Kollegen lieferten nämlich trotz wüsten Namens und ebensolchen Aussehens eines der Highlights beim diesjährigen Rockavaria ab und mobilisieren die jugendlichen Massen auch mit ihrem aktuellen Album Got Your Six. Wenn man die Herrschaften somit nochmals genauer leibhaftig unter die Lupe nehmen kann, sollte man diese Gelegenheit beim wirren Haarschopfe packen – und das sagen sich wohl durchaus nicht wenige, denn die Co-Headliner-Tour mit den bewährten Recken von Papa Roach ist an fast jeder Station ausverkauft. So auch heute abend im Zenith, der lauschigen Halle mit Lokschuppen-Charme, die man erst mal vollkriegen muss.
Das gelingt schon zu früher Stunde, denn der erste Anheizer Devil You Know ist zum Zeitpunkt des etatmäßigen Beginns um 19 Uhr schon mit vollem Elan beim Werk. Die Amis um den ehemaligen Killswitch Engage-Fronter Howard Jones feuern die Nummer ihres Erstlings The Beauty Of Destruction und der neuen Scheibe They Bleed Red in ein schon zu dieser frühen Stunde beachtlich gefülltes Rund, das ihre Mischung aus Metalcore und Groove Metal durchaus wohlwollend zu würdigen weiß (www – gut gell?). Launig führt Herr Jones aus, dass man doch dringend das aktuelle Video „The Way We Die“ anschauen solle, das habe man in einem Stripschuppen mit attraktiven Damen gedreht, und man solle doch bitte auf den Schlagzeuger achten, der aussehe wie ein dirty old man. Mit einem mächtigen „Shut It Down“ beschließt man nach einer guten halben Stunde den Reigen – sicherlich kann man die Frage stellen, ob bei einer solch kurzen Spielzeit wirklich vier Kombos erforderlich sind, aber sei’s drum, wir schauen uns in der Umbaupause mal um. Angereist finden wir überraschend viel Jungvolk und auch die holde Damenwelt – die Zielgruppe des Paketes liegt offenkundig nicht im klassischen Metal, sondern in tagesaktuellen Ausprägungen davon wofür auch die nächste Kombo spricht.
Denn es erscheint – ein Karnickel. Und zwar sowohl auf dem Backdrop als auch auf der Bühne in Form eines Menschen in Kostüm. Darf man Schlimmes befürchten? Nein, denn die wüste Bande von Eskimo Callboy hat neben einem wunderbar politisch unkorrekten Namen (ordungsgemäß müssten sie wohl eher SEIEA heißen, sexuell eigenbestimmter Inuit-Erotik-Arbeiter) einen mächtigen Sound und jede Menge ansteckende Rhythmen im Gepäck, die von der ersten Sekunde des Auftritts die Halle in eine kollektive Hüpfburg verwandeln. Die wilde Mischung aus Metalcore und Hardcore, der teilweise mit technischen Einsprengseln versehen ist (naja, wenn man aus dem wunderbaren Castrop-Rauxel kommt, muss man sich ja irgendwie unterhalten), läuft live deutlich besser runter als die Beschreibung vermuten läßt, die Kollegen nehmen sich selbst offenkundig nicht allzu ernst und hauen das, was sie selbst als „Porno Metal“ bezeichnen, mit Spielfreude und Enthusiasmus unters Volk, das Granaten wie „Internude“, „Wonderbra Boulevard“ oder „5$ Bitchcore“ abfeiert, als wäre das schon der Headliner. Kollektives Sitzen und dann Aufspringen, wilde Moshpits und Todesmauern sind der Lohn, und die beiden Fronter Sebastian „Sushi“ Biesler und Kevin Ratajczak teilen sich Cleangesang und Grunzerei effizient auf. Aber es sind vor allem die melodischen, schon fast kommerziellen Momente wie „Best Day“ vom aktuellen Album, die den Zeiger dann vollends in den grünen Bereich schicken. Das war bestens. Schon wieder eine Überraschung. Genau 30 Minuten lang.
Generalstabsmäßig geht’s weiter, man räumt schnell um und macht die Bahn frei für den ersten „echten“ Headliner des Abends. Der erwischt mit „Face Everything And Rise“ gleich einen famosen Einstand: die Standardfrage, die im Vorfeld gestellt wurde („gibt’s die auch noch?“) beantworten Papa Roach eindrucksvoll mit sattem, höchst melodischem Klanggewand und einer mehr als nur beachtlichen Gesangsleistung von Jacoby Shaddix. Dass die Band wohl immer im Schatten des Mega-Erfolgs des Debuts Infest aus dem Jahr 2000 wandeln wird, spielt heute abend keine Rolle – mit neuem Album (F.E.A.R.) und Schmackes aufgeladen, servieren uns die vier Kollegen einen karriereüberspannenden Reigen, an dem die musikalischen Reise vom Nu Metal der Anfangstage bis zum melodischen Rock verfolgen kann. Mit „Getting Away With Murder“, „Warriors“ und „Hollywood Whore“ treiben sie den Stimmungspegel hoch, animieren die Meute zum Circle-Lauf und zur Wall Of Death, wobei zu konstatieren ist, dass der enorme Adrenalinspiegel vom Inuit-Burschen nicht ganz gehalten werden kann. Macht nichts, gegen Ende serviert uns Meister Shaddix dann nach eigenen Worten immer mehr „old school Papa Roach shit“ – der dann allerdings nach „Blood Brothers“ und „Scars“ von einem „moment of silence“ für die Opfer der Anschläge in Paris unterbrochen wird (passenderweise konnte man vor der Halle schon die mit „abgesagt“ überklebten Poster für die Eagles Of Death Metal-Tour sehen). Der wird eingehalten, dann geht es mit einem feinen Backdrop und dem neuen „Gravity“ in die nächste Runde. Dann ist erst mal kurz Schluss, aber den absoluten Mega-Smasher packen sie natürlich auch noch aus: „Last Resort“ regiert mächtig und unterstreicht, warum sie gleich am Anfang ihrer Karriere ganz nach oben katapultiert wurden. Ein fettes Brett. Den Abschluss macht dann mit „To Be Loved“ noch ein Vertreter von den Paramour Sessions, mit dem uns der Gevatter Küchenschabe dann entlässt. Eine Stunde voller Energie, die mehr als deutlich zeigt, dass die Herrschaften mehr im Gürtel haben als zwei Hits der Anfangstage.
So, DamunHerrn, the main event of the evening: nicht zwölf Runden of heavyweight boxing, sondern die Band der Stunde – FFDP, 5FDP oder wie auch immer - , die mit ihrer ganz eigenen Mischung als Geschredder, Gebolze, Gegrunze, Klargesang und vor allem unfassbar eingängigen Melodien eine Schlagerfabrik der ganz eigenen Art betreibt. Die wilde Kalifornien-Bande um Fronter Ivan Moody (am kunstvoll ziselierten Mikro-Ständer mit Fußablage) hat deshalb absolut kein Problem damit, mit „Lift Me Up“ vom Megaseller The Wrong Side of Heaven and the Righteous Side of Hell, Volume 1 gleich zum Auftakt einen der landauf, landab beliebtesten Steuerknüppel unters Volk zu werfen und mit „Hard To See“ eine weitere Single hinterherzuschießen. Sauerei, da ist erst mal Ruhe im Karton.
Kurzer Blick in die Runde – alles wie gewohnt: Schlagzeuger Jeremy Spencer agiert mit Totenbemalung und Glitzeranzug als Skeletor, Basser Chris Kael gibt uns den Metal-Davy-Jones und teilt sich mit Moody die wüstesten Grunz-Attacken, Solosaitenhexer Jason Hook agiert an einer Leuchtgitarre, teilweise doppelhälsig (die Gitarre, nicht der rotfrisierte Herr), und Bandgründer und Hauptsongschreiber Zoltan Bathory (bestimmt kein Künstlername. Nein nein) bedient die Rhythmusgitarre im Vergleich schon fast zurückhaltend – aber den Haarrotor wirft er immer wieder an. Weiter im ruppigen Takt mit „Never Enough“ und dann mit dem dampfhammermäßigen Titeltrack des aktuellen Albums Got Your Six. Selbst im hinteren Drittel der ja durchaus geräumigen Location entstehen jetzt wüste Moshpits, wobei sich der eine oder andere Schlachtenbummler doch schon ein wenig verausgabt zu haben scheint. Der Sound ist sauber, drückt aber nicht ganz so ordentlich wie es bei 5FDP eigentlich geziemend wäre – das Zenith ist eben nicht der akustisch am besten geeignete Austragungsort. Nach dem eher melodischen Bad Company-Cover gleichen Namens erntet Herr Moody für sein flugs angezogendes Fußball-Trikot eines gewissen hiesigen Vereins so viel Buh-Rufe, dass er tatsächlich wieder verschwindet und mit dem dann doch eher mehrheitsfähigen Trikot der Nationalmannschaft erscheint. Na schau mal einer an. Und dann holt uns mit „Jekyll And Hyde“ der Groove-Teufel: dieses Stück, auch von Got Your Six, verbindet einen T-Rex-haften Beat mit technischen Einlagen und verbindet sich live zu einem kleinen Inferno. Hossa. Trotz Kampfstern Galactica: Angriff der Zitronen-Leichtanzug ist auch das anschließende, mit technischen Spielereien garnierte Drumsolo ein Beispiel für die Kategorie „in der Zeit hätte ich schon meine Salatschleuder reinigen können“, aber das nun folgende Stück erfüllt seine Ankündigung als „something heavy“: bei „Burn MF“ sprinten die jungen Leute in der Mitte im Kreis wie die Derwische.
Nach diesem massiven Pfund gibt es ein kurzes Intro vom Band, an das sich ein bedächtig, weitgehend akustisch vorgetragenes „Wrong Side Of Heaven“ anschließt, dem ein ebenso gemächliches „Battle Born“ folgt. Auch wenn diese Nummern musikalisch blitzsauber daherkommen, entsteht doch immer wieder ein wenig Leerlauf, der im Publikum dann doch mit ersten Ermüdungserscheinungen quittiert wird. Ist ja auch schon die vierte Band heute abend, die dazu in einer sehr sympathischen Geste eine junge Dame (geschätztes Alter 12) auf die Bühne holt und die Songs von dort verfolgen lässt. Nach dem zweiten Feuer-Song „Burn It Down“ erscheint Meister Moody in Baseball-Handschuh und passendem Schläger, mit dem er uns die erste Zugabe „Under And Over It“ durchaus optisch eindrucksvoll kredenzt – wobei die Energie der Angereisten sich immer mehr dem Ende nähert. Dankbar nimmt man da den „moment of silence“, der auch hier eingefordert wird, bevor dann mit dem fein-atmosphärischen „The Bleeding“ nicht ein Schlagetot-Song, sondern ein nachdenklicher Schlusspunkt am Ende steht. Saubere Leistung, keine Frage, die in der gebotenen Zeit aus dem mittlerweile ja mehr als ausführlichen Kanon sicher nicht alle Hits hervorzaubern kann („Here To Die“ oder „Cradle To The Grave“ wären noch hübsch gewesen), aber doch alle Anhänger mehr als zufrieden stellen sollte. Aus Rauswurf läuft vom Band „The House Of The Rising Sun“, das auch live dargeboten einen feinen Abschluss gemacht hätte. Stellt sich jetzt nur die Frage, ob sie auch nächstes Jahr beim Rockavaria wieder am Start sind. Die entsprechenden Bändchen für den Moshpit gab es schon mal. Vorab sozusagen.