Selected Friends and Enemies: das Q1-Tasting in Wort und Bild
/Traditionen sind etwas Feines und wollen gepflegt sein, zumal wenn man dabei aus dem selbst gewählten Exil in die alte Heimat zurückkehrt, dort mit vielen alten Bekannten zusammentrifft und einen Zweck verfolgt: sich immer wieder einmal durch die Welt des Single Malts zu kosten. Zu diesem hehren Ziel versammelt man sich einmal im Quartal (das ist das Q), es gilt das alte Motto „Bring A Bottle“, der Austragungsort wird per Wanderpokalprinzip stets variiert, die Versuchsanordnung wird sorgsam ausgewählt und aufgebaut, und anhand eines immer ausgefeilteren Tasting-Zettels geht es dann los. Unsachliche, irrationale und unlogische Bewertungen sind dabei ebenso erlaubt und erwünscht wie Fachsimpelei, akribisches Prüfen ob hier denn nun gefärbt sei und letztendlich dann die alles entscheidende Geschmacksprobe, die für die Highlights dann natürlich obligatorisch ist.
Ausgangspunkt ist allerdings üblicherweise die umtriebige Getränkehandlung Kuhn im beschaulichen Rück, deren Auswahl an Whisky, Whiskey und anderen Dingen mittlerweile epische Ausmaße angenommen hat und zu Recht unter dem Label Kuhns Whisky Genuss firmiert. Hier finden gerne auch einmal professionell geleitete Tastings statt, aber wir rücken im Vorfeld unserer eigenen Versuchsreihen stets mit dem Zauberwort an: „Hast Du mal was Gutes für uns?“ Hat man auch heute wieder, und so werden schon am späten Nachmittag einige Trophäen für spätere Ansetzungen davongetragen, so etwa ein 12jährigen Tomatin (laut Label „highly satisfying“ – als Kaufargument reicht uns das), ein ebenso alter Glendronach und 12er Quinta Ruban aus dem Hause Glenmorangie.
Mit der weitesten Anreise gesegnet, komme ich natürlich wieder zu spät zum Einkaufstrip, aber ich habe ja meine Schätzchen, darunter den 15jährigen Tullibardine Sherry Wood Finish, schon im Gepäck. Nach kurzer Zwischenrast geht es zum Austragungsort, wo dann unter den wachsamen Augen des Königs Ludwig II (immerhin sind wir in Bayern, auch wenn böse Zungen das immer nicht wahrhaben wollen) die heutige Versuchsanordnung aufgebaut wird.
Bewaffnet mit jeweils zwei Tasting-Gläsern, babynahrungs-gerechtem stillem Wasser sowie einem professionell aufbereiteten Fahrplan geht es nun zur Sache, aber der Einstieg gelingt leider nicht sofort. Denn wir wollten eigentlich ein echtes Erbstück erproben, einen Tullamore Dew Blend (noch mit altem Logo und alter PLZ des Importeurs) in einer schönen Keramik-Flasche, aber die lange Lagerung hat dem Korken so zugesetzt, dass selbst Horst Lünings Notfalltipps hier nichts mehr helfen würden. Irgendwie schaffen wir es dann doch, das Teil zu öffnen, aber nach einem Schluck ist klar, dass hier leider nichts mehr zu retten ist. Anstelle einer milden Sherrynote schmeckt das nur noch bitter und ist, wie wir notieren, „freckt“. Schade.
Anschließend ist dann ein Exot an der Reihe: mit dem Mackmyra Bruks geht ein Vertreter der schwedischen Brennerei ins Rennen, die auch für den Motörhead-Whisky verantwortlich zeichnet. Wir nehmen hier ausgeprägte Fruchtigkeit wahr, Zitrusnoten und einige Gewürze: die Beschreibung, die von Anis und Ingwer kündet, trifft durchaus zu – man ist rundherum erfreut, einer ruft „Obstler!“ dazwischen, aber jetzt sind wir wirklich unterwegs.
Die nächste Variante ist gleich in zwei Ausprägungen zu unterteilen. Die ohnehin immer lobenswerte Bruichladdich-Brennerei, wo man definitiv nicht färbt, geht jetzt mit dem 6jährigen Islay Barley (nur heimische Gerste von der Insel!) von 2007 und dem Scottish Barley „Classic Laddie“ (Gerste somit aus Schottland und ebenfalls nicht vom Kontinent importiert – allerdings ist dies ein NAS, also ohne Altersangabe) ins Rennen. Wir notieren erstaunt, wie unterschiedlich die beiden Vertreter der gleichen Destille daherkommen – beide wirken für ihren Alkoholgehalt von 50% sehr mild, warm im Abgang, der Islay Barley zeigt tatsächlich Anklänge an Obst, Früchte und Zimt, während der Scottish Barley mit Honignoten und süßen Zuckerandeutungen glänzt. Wir zeigen uns beeindruckt von beiden Varianten, diskutieren ausführlich über die farbigen Flaschen (gelb und blau), sind gerne auch geteilter Meinung, welcher uns besser schmeckt, aber klar ist, dass wir hier nun endgültig mal ein Ausrufezeichen setzen dürfen, bei dem der eine oder andere aus unserer Runde ein klares „Kaufen!“ auf seinem Zettel festhält.
Der Aberlour a’bunadh Batch Nr. 31 (aus dem Jahr 2010 - aktuell sind wir schon bei Batch 54!) führt dann zu allgemeinem Erstaunen: „das ist ja wie Kompott!“ In der Tat wie eine süße Nachspeise wirkt dieser im Oloroso-Fass gereifte, mit 60,5% Stärke gesegnete Herr, wir erspähen vor allem Pralinen, dunkle Schokolade und eine unglaublich kräftige, dunkle Farbe, die sich in einem langen, ebenfalls schokoladigen Abgang bestätigt. Da schließt sich mein Tullibardine Sherry Wood Finish bestens an, der mit seinem milden, fruchtigen Geschmack nach Vanille und Früchten in der Runde als verlockend süßlich bewertet wird – „uffbasse“, urteilen wir da, der schmeckt gefährlich gut. Folgerichtig reiht sich jetzt der Auchentoshan Three Wood ein, der durch einen Hauch Dunkelheit durchaus gefällt. Ein wüster Disput, ob das Teil jetzt 10 oder 12 Jahre alt sei, endet ergebnislos, wichtiger ist, dass wir hier eine sehr süßen, gefälligen und fruchtigen Malt vor uns haben, dem das Finish in den Oloroso und Peter Siemens-Sherryfässern definitiv bekommt (zur Aufklärung des Scherzes: Peter Siemens produziert unter dem Künstlernamen Pedro Ximenez neben Elektroanlagen auch Sherryfässer).
Spätestens jetzt ist allerdings eine kleine Pause erforderlich, wir packen die obligatorische Brotzeit nebst hausmacher Waren ebenfalls aus dem Hause Kuhn (offenbar ein wahres Imperium, hier unter der Flagge Wurstgenuss Kuhn) aus, und ein offenkundig von übermenschlichen Kräften beseelter Mitstreiter zerstört beinahe das Brotschneidebrett. So gestärkt, schreiten wir als Finale zu den etwas rauchigeren Gesellen auf unserem Speisezettel. Wir starten mit dem Ardmore Port Wood Finish (12 Jahre), der einen Rauchgehalt von 12ppm sein Eigen nennt. Ich lasse mir erläutern, dass dies wohl die parts per million sind, welche Millionen auch immer gemeint sein mögen, je mehr desto Qualm, nehme ich mal mit. Der Ardmore entzückt uns denn auch gleich mit stark fruchtigem Beeren-Aroma, leichten Zimt- und Pfeffernoten und einer feinen Balance zwischen Rauch und Süße. Wundervoll.
Der den Reigen beschließende Ardbeg 10 Years entfaltet unter dem unverkennbaren Torfrauch eine wunderbare Süße, die sich zu einem vollmundigen Erlebnis zusammenfügt. Der Ardbeg bleibt wie gewohnt lange auf der Zunge und hinterlässt einen Eindruck von Malz und unaufdringlichem Rauch. Intensiv und rund gleichermaßen.
Womit wir dann am Ende der auf dem Tasting-Zettel vermerkten Abfolge wären, strahlende Gesichter allenthalben, wir babbeln noch dumm Zeuch, hören Motörhead und sinnieren über deren gehaltvolle Texte. Als Fazit ziehen wir unter den gelungenen Abend, dass die Smoker heute gerult haben, was jeder Teilnehmer einmütig einräumt. Wir empfehlen uns bis zum nächsten Mal, denn in Q2 müssen wir das natürlich wiederholen. Schalten Sie auch dann bitte wieder ein.